Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Jahrgang 1915 (2)

712 Nr. 125. 1915. 
An das deutsche Volk! 
  
Ein Jahr ist verflossen, seitdem ich das deutsche Volk zu den Waffen rufen 
mußte. Eine unerhört blutige Zeit kam über Europa und die Welt. Vor Gott 
und der Geschichte ist mein Gewissen rein: Ich habe den Krieg nicht 
gewollt! — Nach den Vorbereitungen eines ganzen Jahrzehnts glaubte der 
Verband der Mächte, denen Deutschland zu groß geworden war, den Augenblick 
gekommen, um das in gerechter Sache treu zu seinem österreichisch-ungarischen 
Bundesgenossen stehende Reich zu demütigen oder in einem übermächtigen 
Ringe zu erdrücken. 
Nicht Eroberungslust hat uns, wie ich schon vor einem Jahre verkündete, 
in den Krieg getrieben. Als in den Angusttagen alle Waffenfahigen zu den 
Fahnen eilten, und die Truppen hinauszogen in den Verteidigungskampf, 
fühlte jeder Deutsche auf dem Erdball, nach dem einmütigen Beispiele des 
Reichstages, daß für die höchsten Güter der Nation, ihr Leben 
und ihre Freiheit gefochten werden mußte. Was uns bevorstand, wenn es 
freimder Gewalt gelang, das Geschick unseres Volkes und Europas zu bestim- 
men, das haben die Drangsale meiner lieben Provinz Ostpreußen gzzeigt. 
Durch das Bewußtsein des aufgedrungenen Kampfes ward das Wunder voll- 
bracht: Der politische Meinungsstreit verstummte, alte Gegner fingen an, sich zu 
verstehen und zu achten, der Geist treuer Gemeinschaft erfüllte 
alle Volksgenossen. 
Voll Dank dürfen wir heute sagen: Gott war mit uns. Die feind- 
lichen Heere, die sich vermaßen, in wenigen Monaten in Berlin einzuziehen, sind 
mit wuchtigen Schlägen im Westen und im Osten weit zurückgetrieben. Zahl- 
lose Schlachtfelder in den verschiedensten Teilen Europas, Seegefechte an nahen 
und fernsten Gestaden bezeugen, was deutscher Ingrimmin der Not- 
wehr und deutsche Kriegskunst vermögen. Kieine Vergewaltigung 
völkerrechtlicher Satzungen durch unsere Feinde war imstande, die wirtschaft- 
lichen Grundlagen unserer Kriegsführung zu erschüttern. Staat und Gemeinden, 
Landwirtschaft, Gewerbefleiß und Handel, Wissenschaft und Technik wetteiferten, 
die Kriegsnöte zu lindern. Verständnisvoll für notwendige Eingriffe in den 
freien Warenverkehr, ganz hingegeben der Sorge für die Brüder im Felde, 
spannte die Bevölkerung daheim alle ihre Kräfte an zur Abwehr der gemein- 
samen Gefahr. 
 
	        
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