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V.
Nicht weniger sind diese Vorschriften bei den zur Zeit der Publikation
des Gesetzbuches bereits anhängigen Untersuchungen in Anwendung zu bringen,
insofern nicht darin das letzte, ein Rechtsmittel weiter nicht zulassende, Erkennt-
niß bereits gesprochen ist, oder der Angeschuldigte einer früheren Entscheidung
unbedingt sich unterworfen hat. Ist das eine oder das andere der Fall, so hat
es bei dieser Entscheidung sein Bewenden und es kann eine Abänderung nur
auf dem Wege der Begnadigung erfolgen, ausgenommen, wenn die in unter-
suchung gezogenen Handlungen solche sind, welchen eine öffentliche Strafe fortan
nicht mehr angedroht ist. Untersuchungen dieser Art sind sofort beizulegen und
es ist mit Vollstreckung der darin erkannten, ganz oder theilweise noch nicht
verbüßten Strafen, mit Ausnahme nur der erkannten Geldstrafen, Anstand zu
nehmen.
VI.
Sind bei Publikation dieses Gesetzbuches Untersuchungen anhängig, wel-
che nach den Vorschriften desselben von dem Richter nicht von Amtswegen,
sondern nur auf den Antrag einer bei dem begangenen Verbrechen betheiligten
Person oder Behörde angestellt werden können: so hat, insofern ein solcher
Antrag nicht bereits in den Akten vorliegt, der Richter vor Fortstellung der
Untersuchung die berechtigte Person oder Behörde zu einer Erkldrung deshalb
zu veranlassen und, im Falle diese nicht binnen einer Sächsischen Frist, von
Zeit der Aufforderung an, auf Fortstellung der Untersuchung anträgt, dieselbe
beizulegen. Die Angeschuldigten haben solchen Falles die bis dahin aufgelau-
f#enen Unkosten abzustatten. Ist aber die Verbindlichkeit zu der Kostenabstat-
tung nach der Lage der Untersuchung zweifelhaft, so sind die Kosten niederzu-
schlagen.
Urkundlich haben Wir dieses Patent höchsteigenhändig vollzogen und Un-
ser Großherzogliches Staatsinsiegel beidrucken lassen.
So geschehen und gegeben Weimar den 5. April 1839.
½ Carl Friedrich.
C. W. Freih. v. Fritsch. Freih. v. Gersdorff. D. Schweitzer.
vdt. Ernst Müller.