Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1869. (53)

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Die eigenthümliche Art und Weise, in welcher die Fortpflanzung des mensch- 
lichen Bandwurms durch Eier- und Finnen-Bildung innerhalb verschiedener lebender 
Körper vor sich geht, ist folgende: 
Sobald ein in den menschlichen Därmen lebender Bandwurm seine vollständige 
Entwickelung erlangt hat, so beginnt er seine geschlechtsreifen mit zahlreichen be- 
fruchteten Eiern versehenen Glieder freiwillig abzustoßen, so daß die letzteren ent- 
weder für sich oder mit den Stuhlentleerungen auf natürlichem Weg den Körper 
verlassen. Werden nun solche abgegangene Glieder von dem bekanntlich sehr gefräßigen 
Schwein, — (viel seltener vom Rind) — z. B. auf Miststätten oder auf ge- 
düngten Wiesen und Feldern aufgefunden und gefressen, so entsteht im Magen des 
betreffenden Thieres aus jedem Bandwurm-Ei eine kleine Finne, welche von da aus 
durch Wanderung in die verschiedensten Theile des Körpers gelangen kann. An 
irgend einer Stelle des letztern nistet sie sich fest und entwickelt sich da zur Finne 
von normaler Größe. Als solche besteht sie aus einer weißlichen Kapsel, in deren 
Innern neben eiweißähnlicher Flüssigkeit ein etwa nadelkopfgroßer Bandwurm-Kopf 
mit dem an der Kapsel angewachsenen Hals zu erkennen ist. 
An dem Ort ihrer ursprünglichen Entwickelung geht die Finne keine weitere 
Umwandlung ein. Dagegen ist dies der Fall, wenn sie im lebenden Zustand in 
den Magen eines Menschen gelangt. Daselbst wird nämlich die Kapsel der Finne 
durch die Verdauung zerstört und Kopf und Hals des Bandwurms werden frei. 
Diese letzteren leiden aber durch die Verdauungssäfte keinen Schaden, sondern gehen 
lebenskräftig in die Gedärme über, in denen der Kopf sich festsaugt und durch 
wiederholtes Hervortreiben neuer Glieder aus seinem Halstheil nach Wochen und 
Monaten zu dem oft viele Ellen langen Bandwurm sich vervollständigt. Die reifen 
Glieder des letztern gehen dann wieder nach außen ab und der Kreislauf der Fort- 
pflanzung kann in der oben beschriebenen Weise von Neuem beginnen. 
Da weder unmittelbar nach dem Genuß lebender Finnen, noch während der 
längern Entwickelungs-Periode des Bandwurms auffälligere krankhafte Erscheinungen 
aufzutreten pflegen, so erklärt sich aus diesem Umstand der im Publikum weit 
verbreitete Glaube an die völlige Unschädlichkeit der Finnen. Diesen irrthümlichen 
Glauben durch Belehrung über den wahren Sachverhalt überall zu widerlegen und 
thunlichst auszurotten, erscheint aber um so mehr geboten, als die durch den Genuß 
von Finnen erzeugte Bandwurm-Krankheit nicht allein ein lästiges und oft hart- 
näckiges Leiden ist, sondern auch zuweilen Veranlassung zu sehr schweren, ja selbst 
lebensgefährlichen Krankheitszuständen abgibt. Letzteres ist namentlich dann der Fall, 
wenn durch eine entgegengesetzte Darmbewegung geschlechtsreife Bandwurm-Glieder 
in den Magen gelangen, wodurch Veranlassung zur Finnen-Krankheit des Menschen 
gegeben wird. Die größere oder geringere Gefahr einer solchen Erkrankung hängt
	        
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