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§ 21.
Der Angeschuldigte kann sich bei der mündlichen Verhandlung eines
Rechtsanwaltes bedienen. Er darf sich auch durch einen solchen vertreten
lassen, wenn nicht sein persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert ist. Wird
persönliches Erscheinen erfordert, so ist dies unter der Verwarnung anzuordnen,
daß im Falle des Ausbleibens ein Vertreter nicht werde zugelassen werden.
Dem Angeschuldigten, beziehentlich einem von ihm zugezogenen Rechts-
anwalt ist die Einsicht der Akten, sowie schriftliche Vertheidigung vor der
mündlichen zu gestatten.
§ 22.
Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. In derselben wird zu-
erst durch einen von dem Vorsitzenden des Kirchenrathes aus der Zahl seiner
Mitglieder bestellten Berichterstatter der Verweisungsbeschluß — 8§§ 18 und
20 — verlesen und über das Ergebniß der Vornntersuchung Vortrag erstattet.
Hierauf erfolgt die Vernehmung des Angeschuldigten, sowie derjenigen
Zeugen und Sachverständigen, deren Vorladung von dem Kirchenrathe etwa
für erforderlich erachtet worden ist.
Der Angeschuldigte oder sein Vertheidiger hat das Schlußwort.
Ueber die mündliche Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, vor
Schluß derselben vorzulesen und von dem Vorsitzenden und dem Protokoll-
führer zu unterzeichnen. Dasselbe soll die Namen der Anwesenden und die
wesentlichen Punkte der Verhandlung enthalten.
§ 23.
Gewinnt der durch den ständigen Synodalausschuß verstärkte Kirchenrath
bei der Verhandlung die Ansicht, daß eine Vervollständigung der Unter-
suchung erforderlich sei, so setzt er das Verfahren aus und ordnet die
weiteren Erhebungen au. Nach Vervollständigung der Untersuchung wird der
Angeschuldigte zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vorgeladen.
8 24.
Nach Schluß der mündlichen Verhandlung entscheidet das Kollegium nach
freier, aus dem Gesammtergebniß der Verhandlung gewonnener Ueberzengung.
Für eine zu Ungunsten des Angeschuldigten lautende Entscheidung ist
eine Mehrheit von zwei Dritttheilen der abgegebenen Stimmen erforderlich.
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