Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1900. (84)

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Will der Vormund selbst den Mündel gegen Entgelt in Kost und 
Pflege nehmen, so hat er solches dem Vormundschaftsgerichte anzuzeigen, 
welches die zum Vertragsabschlusse erforderlichen Maßregeln zu ergreifen hat. 
Kraft seines Erziehungsrechtes kann der Vormund auch angemessene 
Zuchtmittel im Rahmen väterlicher Zucht gegen den Mündel anwenden. 
Reicht seine Zuchtgewalt zur Besserung des Mündels nicht aus, so wird 
ihn auf seinen Antrag das Vormundschaftsgericht durch Anwendung ge— 
eigneter Zuchtmittel unterstützen und äußerstenfalls die Unterbringung des 
Mündels zur Zwangserziehung verfügen. 
In dem Erziehungsrechte des Vormundes ist namentlich auch das 
Recht und die Pflicht zur religiösen Erziehung des Mündels inbegriffen. 
Der Vormund hat daher dafür zu sorgen, daß dem Mündel in dem Be- 
kenntniß, dem der Vater oder bei unehelichen Kindern die Mutter angehört, 
die erforderliche Unterweisung zu Theil wird, vorbehältlich der Befugniß 
des Mündels, nach vollendetem 18. Lebensjahre selbständig das religiöse 
Bekenntniß zu wählen. 
Wechselt der Vormund selbst sein religiöses Bekenntniß, so hat er 
dem Vormundschaftsgerichte davon alsbald Mittheilung zu machen. 
2. Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, den Mündel zu 
beaufsichtigen. Er hat sorgsam über den Mündel, über sein Ergehen und 
seinen Lebenswandel zu wachen und, soweit nöthig, mit den erforderlichen 
Zuchtmitteln einzuschreiten. 
3. Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, den Aufenthalt des 
Mündels zu bestimmen. Der Mündel kann daher ohne Genehmigung des 
Vormundes seinen Aufenthalt nicht wechseln. Will der Mündel sich den 
in dieser Beziehung vom Vormund getroffenen Anordnungen nicht fügen, 
so hat dieser die Hilfe des Vormundschaftsgerichts nachzusuchen. Hält 
ein Dritter den Mündel widerrechtlich zurück, so kann der Vormund die 
Herausgabe des Mündels im Wege der Klage verlangen. 
Von jeder Verlegung des Aufenthalts des Mündels hat der Vormund 
den Gemeindewaisenrath, in dessen Bezirke der Mündel sich bisher auf- 
gehalten hat, unverzüglich zu benachrichtigen. 
An der Pflicht des Vormundes, für seinen Mündel zu sorgen, ihn 
zu erziehen und zu beaufsichtigen wird dadurch, daß der Mündel seinen 
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