456 Die Schweiz. (Juni 23.)
fremden Regierung in Schutz nehmen mag. Wir glauben übrigens, daß
unser Beschluß gegen Gehlfen durchaus im Einklange stehe mit den Grund-
säten, welche die Schweiz über das Ai#yl politischer Flüchtlinge von je her
als für sich maßgebend anerlannt hat. Es bleibt den politischen Flücht-
lingen ein großes Gebiet zur freien Bewegung und politischer Discussion in
der Schweiz übrig, aber es erscheint nicht als stalthaft, daß sie unser Gebiet
benutzen, um unter Mißachtung der Neutralität, die wir selbst beobachten
wollen, in die politischen Kämpfe eines befreundelen Staates eine Agitation
hineinzutragen, die kein Staat dulden kann. Es wird Niemand das Be-
streben eines Flüchtlings tadeln. die nach seiner Meinung bessern wolitischen
und socialen Zustände herbeizuführen, aber wenn er zugleich für den
daß seinen Anträgen keine Folge gegeben würde, androhl: — „dann ist die
Zeit da, wo das Volk in gerechter Erbillerung die flehende Feder mit der
Manneswehr vertauscht und — draufschlägt", wie Gehlsen es gethan hat,
so ist nicht mehr von einer Verbesserung politischer Zustände auf gesetzlichem
Wege die Rede, sondern auf demjenigen der Gewalt. Derartige Bedrohnn=
den, wenn sie auch nur im Wege der Presse geschehen. sind geeignet, die
gulen Beziehungen zwischen Staaten zu stören und demjenigen Staate, auf
dem sie ungehemmt vor sich gehen würden, ernsthafte Conflicte herbeizuziehen.
Dies zu verhüten, hal die Schweiz klares Recht und Interesse.“
Schluß der Bundesversammlung.
23. Juni. (Bern.) Versammlung der christkatholischen Sy-R
node des Kantons in Bern. Die Nömisch-Katholischen haben das
Uebergewicht über die Altkatholischen und machen es rücksichtslos
geltend.
Zum ersten Mal nehmen daran neben den Christkatholischen auch die
römisch-kalh. Abgeordneken des Jura und zwar vollzählig Antheil. Sie
wird eröffnet durch eine in durchaus versöhnlichem Sinn und Geiste gehaltene
Predigt des altkath. Bischof Herzog, an welche sich ein seierliches Hochamt
anschließt; die Ultramontanen halten sich hievon fern. Die Verhandlungen
nehmen, trohdem sich die Parteien schroff gegenüberstehen, im Allgemeinen
einen ruhigen Verlauf. Der Namensaufruf ergibt die Amwesenheit von circa
65 Romischtathollken und 35 Christkatholiken. Sodaun wird die Verifica-
tion der Wahlacten der neu eintretenden Mitglieder vorgenommen; selbst-
verständlich werden jedoch sämmtliche Wahlbeschwerden im Sinne der ultra-
montanen Zweidrittelsmehrheit erledigt. Das Haupttractandum bildet sodann
die Wahl des Büreaus und des Synodalrathes. In das erstere werden
schon im ersten Wahlgange mit 62 gegen 31 Stimmen die Candidaten der
Ultramontanen gewählt, nämlich als Präsident der Synode Fürsprecher
Koller (ultr.), als erster Bicepräsident Notar Maker (ultr.), als zweiter
Viecepräsident Fürsprecher Gigon (liberal). Die freisinnigen Katholiken be-
siven somit im Büreau einen einzigen Vertreter. Noch ausschließlicher wird
der Synodalrath bestellt, welcher die vorberathende, exccutive und admini-
strative Behörde der Synode ist und dessen Amtsdauer vier Jahre beträgt.
Schon im ersten Wahlgange werden in denselben ebenfalls mit durchschnittlich
Zweidrittelsmehrheit ausschließlich Ultramontane reinsten Wassers gewählt,
lund zwar als Präsident Fürsprecher Folletete, 4 geistliche Mitglieder nebst
2 Suppleanten, als wellliche Mäer außer dem Präsidenten die HH.
Voirol, Jobin, Steullet und d„Husson (Notar), als Suppleanten die HH. Koller
und Ch happuis. Damit ist die immerhin beträchtliche liberale Minorität von
der Leilung der Geschäfte der Synode vollständig ausgeschlossen. Da keine