Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 15.) 73 
Lücke zu richten; allein sie soll jetzt voll ergänzt werden. Dieß scheint uns 
di jetzige Fassung in den §§5. 1 und 2 besser zu erreichen als die frühere 
m g. 1. Erstere enthält also z. B. auch Bestimmungen darüber was zu 
Füihben habe, wenn der Thronfolger minderjährig, der nach der Verfassung 
erufene Vormund desselben aber an der sofortigen Uebernahme der Regent- 
halt behindert wöre. Ueber die eigentliche Erbfolgefrage enthalten so wenig 
und 2 als die übrigen irgend etwas. In den früheren Verhand= 
l ist ja auch bereits anerkaunt, daß davon keine Rede sein solle, einmal 
weil es noch nicht an der Zeit sei, und daun weil leinesfalls der Landesver- 
sammlung allein die Entscheidung zustehe. Diese schwierige Frage bleibt 
also in suspenso; boffen wir daß ein günstiges Geschick auch diese Frage 
zum wahren Wohle es. Landes entscheiden werde. Der jetzige §. 4 enthält 
sub 3 einen Zusah, der darauf abzielt, unsere Gesinnung dahin zu constatiren 
daß wir keineswegs gesonnen sind, uus der Unterordnung unter Kaiser und 
Reich irgendwie zu entziehen. Wir gehen davon aus, daß die Einrichtung, 
die wir zu treffen im Begriffe sind, soweit sie lediglich die inneren Angelegen- 
heiten des Landes berührt, ausschließlich von den verfassungsmäßigen Organen 
des Landes getroffen werden kann und getroffen werden muß; die durch die 
Bundesverfassung jedem Bundesstaate ccarantirte Selbstständigleit in inneren 
Angelegenheiten gewährt dem Lande das Recht dazu. Allein die einzuführende 
Institution kann nun auch über die inneren Angelegenheilen hinans nach außzen 
hin wirksam werden müssen, und da steht die Sache vielleicht schon bedeut- 
licher. Jedenfalls hat mit dem proponirten Zusatz ansgedrückt werden follen, 
daßer wir ebenso wie wir die Bundesverfassung einerseits für unser Recht an- 
ka andrerseits auch gewillt sind, den Beschränlungen uns zu unterwerfen, 
welche die Bundesverfassung den einzelnen Bundesstaaten auferlegt. Die ge- 
ehrte Versammlung hat sich öfters und namentlich auch bei den neuerlichen 
Verhandlungen dahin ausgesprochen, daß sie nicht allein willig, sondern mit 
Freude bereit sei, dem Kaiser und Reiche zu geben, was des Kaisers und 
Reiches sei. Wir glauben hienach davon ausgehen zu dürfen, daß die ge- 
ehrte Versammlung mit dem fraglichen Zusatz einverstanden sein werde. Der 
Gesehentwurf charakterisirt sich als zur Ergänzung der Landesverfassung be- 
stimmt; kein Zweifel also, daß es, soll er zum Gesetze werden, der Zustimmung 
von zwei Drittheilen der Mitglieder der Landesversammlung bedarf, und daß 
dieß zu constatiren wäre. Wünschenswerth aber wäre es, daß die Zustim- 
mung möglichst einstimmig erfolgte.“ Man ersieht aus diesem Berichie 
mancherlei; die allgemeine Verstimmung über die Haltung des Herzogs v. 
Cumberland, ja fast die Hoffnungslosigkeit in Bezug auf sein Verhältniß zum 
Lande, die üebereinstimmung der Commission und der Regierung über das 
Ganze wie über das Einzelne: der schwebenden Staatsfrage, und die unver- 
brüchliche Loyalität der betreffenden Factoren, die sich als treues Festhalten 
leell an der Selbstständigkeit des Landes als an der Reichsverfassung 
äußert 
  
  
  
  
Der Vorgang im Landtag ist folgender: Zunächst erhebt siche# der 
Staatsminister Schulz und verliest eine Verwahrung der Regierung. Die- 
selbe erklärt sich mit einer Stelle des vom Land= und Reichstagsabgeordneten 
Bode redigirten Commissionsberichts nicht einverstanden, worin die neuerliche 
Ernt des Herzogs von Cumberland in der Thronfolge- hage als der eigent- 
iche Grund des Regentschaftsgesebes angegeben wird. Abg. Bode sucht seine 
Hertigon betont aber, daß es der Commefsion fern gelegen, 
das Suceessionsrecht selbst irgend ein Urtheil abgeben zu wollen, daß 
bonned die Thronbesteigung des Herzogs von Cumberland keineswegs für 
absolut, sondern nur auf so lange für #umtcglich habe erklären wollen, als 
derselbe der Reichsverfassung seine Anerkennung verweigerte. Darauf wird 
 
	        
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