Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1878. (12)

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nämlichen Thatsachen das ehrengerichtliche Verfahren nicht zu eröffnen und, wenn 
die Eröffnung stattgefunden hat, auszusetzen. 
Ist im Strafrerfahren auf Freisprechung erkannt, so findet wegen der- 
jenigen Thatsachen, welche in diesem zur Erörterung gekommen sind, ein ehren- 
gerichtliches Verfahren nur insofern statt, als dieselben an sich und unabhängig 
von dem Thatbestand einer im Strafgesetze vorgesehenen Handlung die ehren- 
gerichtliche Bestrafung begründen. 
Ist im Strafverfahren eine Verurtheilung ergangen, welche die Unfähig- 
keit zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht zur Folge hat, so beschließt das 
Ehrengericht, ob außerdem das ehrengerichtliche Verfahren zu eröffnen oder fort- 
zusetzen sei. 
Kann im Strafverfahren eine Hauptverhandlung nicht stattfinden, weil 
der Angeklagte abwesend ist, so findet die Vorschrift des Absatzes 1 keine An- 
wendung. 
§. 66. 
Insoweit nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen sich 
ergeben, sinden auf das ehrengerichtliche Verfahren die Vorschriften der Straf- 
prozeßordnung über das Verfahren in den zur Zuständigkei der Landgerichte 
gehörigen Strafsachen und die Vorschriften der §§. 156 Nr. II, 177, 186 bis 
200 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung. 
§. 67. 
Der Vorstand entscheidet im ehrengerichtlichen Verfahren als Ehrengericht 
in der Besetzung von fünf Mitgliedern. Dasselbe besteht aus dem Vorsitzenden, 
dem stellvertretenden Vorsitzenden und drei anderen Mitgliedern des Vorstandes. 
Der Vorstand wählt die letzteren und bestimmt die Reihenfolge, in welcher die 
übrigen Mitglieder als Stellvortreter zu berufen sind. 
§. 68. 
Zuständig ist das Ehrengericht der Kammer, welcher der Angeschuldigte 
zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. 
§. 69. 
Der Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung kann von dem Ehren- 
gerichte sowohl aus rechtlichen, als aus thatsächlichen Gründen abgelehnt werden. 
Gegen den ablehnenden Beschluß steht der Staatsanwaltschaft die sofor- 
tige Beschwerde zu. 
Gegen den die Voruntersuchung eröffnenden Beschluß steht dem Ange- 
schuldigten die Beschwerde nur wegen Unzuständigkeit des Ehrengerichts zu. 
§. 70. 
Das Ehrengericht kann beschließen, daß ohne Voruntersuchung das Haupt- 
verfahren zu eröffnen sei. 
Beschwerde findet nicht statt.
	        
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