— 206 —
lichen Zucht mißbraucht oder zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig
obliegenden Verpflichtungen unfähig wird.
Der Lehrvertrag wird durch den Tod des Lehrlings aufgehoben. Durch
den Tod des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als aufgehoben, sofern die Auf-
hebung innerhalb vier Wochen geltend gemacht wird.
§. 129.
Bei Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling unter
Angabe des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist, über
die Dauer der Lehrzeit und die während derselben erworbenen Kenntnisse und
Fertigkeiten, sowie über sein Betragen ein Zeugniß auszustellen, welches von
der Gemeindebehörde kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist.
An Stelle dieser Zeugnisse können, wo Innungen oder andere Vertretungen
der Gewerbetreibenden bestehen, die von diesen ausgestellten Lehrbriefe treten.
§. 130.
Verläßt der Lehrling in einem durch dies Gesetz nicht vorgesehenen Falle
ohne Zustimmung des Lehrherrn die Lehre, so kann letzterer den Anspruch auf
Rückkehr des Lehrlings nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag schriftlich
geschlossen ist. Die Polizeibehörde kann in diesem Falle auf Antrag des Lehr-
herrn den Lehrling anhalten, so lange in der Lehre zu verbleiben, als durch
gerichtliches Urtheil das Lehrverhältniß nicht für aufgelöst erklärt ist. Der Antrag
ist nur zulässig, wenn er binnen einer Woche nach dem Austritte des Lehrlings
gestellt ist. In Falle der Weigerung kann die Polizeibehörde den Lehrling
zwangsweise zurückführen lassen, oder durch Androhung von Geldstrafe bis zu
fünfzig Mark oder Haft bis zu fünf Tagen zur Rückkehr ihn anhalten.
§. 131.
Wird von dem Vater oder Vormund für den Lehrling, oder, sofern der
letztere großjährig ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung
abgegeben, daß der Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder anderen Berufe
übergehen werde, so gilt das Lehrverhältniß, wenn der Lehrling nicht früher
entlassen wird, nach Ablauf von vier Wochen als aufgelöst. Den Grund der
Auflösung hat der Lehrherr in dem Arbeitsbuche zu vermerken.
Binnen neun Monaten nach der Auflösung darf der Lehrling in demselben
Gewerbe von einem anderen Arbeitgeber ohne Zustimmung des früheren Lehr-
herrn nicht beschäftigt werden.
§. 132.
Erreicht das Lehrverhältniß vor Ablauf der verabredeten Lehrzeit sein Ende,
so kann von dem Lehrherrn oder von dem Lehrling ein Anspruch auf Ent-
schädigung nur geltend gemacht werden, wenn der Lehrvertrag schriftlich geschlossen
ist. In den Fällen des §. 128 Abs. 1 und 4 kann der Anspruch nur geltend
gemacht werden, wenn dieses in dem Lehrvertrage unter Festsetzung der Art und
Höhe der Entschädigung vereinbart ist.