§. 694.
Der Schiffer darf die verbodmete Ladung vor der Befriedigung oder Sicher-
stellung des Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem
Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich verpflichtet wird, als dieser aus
den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können.
Es wird vermuthet, daß der Gläubiger seine vollständige Befriedigung hätte
erlangen können.
§. 695.
Hat der Rheder in den Fällen der §§. 692 bis 694 die Handlungsweise des
Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des §. 512 Abs. 2, 3 zur An-
wendung.
§. 696.
Wird zur Zahlungszeit die Bodmereischuld nicht bezahlt, so kann sich der
Gläubiger aus den verbodmeten Gegenständen befriedigen. Die Befriedigung erfolgt
nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften.
In Ansehung des Schiffes und der Fracht ist die Klage gegen den Schiffer
oder den Rheder zu richten; das gegen den Schiffer ergangene Urtheil ist auch gegen-
über dem Rheder wirksam. In Ansehung der Ladung ist die Klage vor der Aus-
lieferung gegen den Schiffer zu richten.
Zum Nachtheil eines dritten Erwerbers, der den Besitz der verbodmeten Ladung
in gutem Glauben erlangt hat, kann der Gläubiger von seinen Rechten keinen
Gebrauch machen.
§. 697
Der Empfänger, dem bei der Annahme der verbodmeten Güter bekannt ist,
daß auf ihnen eine Bodmereischuld haftet, wird dem Gläubiger für die Schuld bis
zu dem Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung haben, insoweit
persönlich verpflichtet, als der Gläubiger, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre,
aus den Gütern hätte befriedigt werden können.
§. 698.
Wird vor dem Antritte der Bodmereireise die Unternehmung aufgegeben, so
ist der Gläubiger befugt, die sofortige Bezahlung der Bodmereischuld an dem Orte
zu verlangen, an welchem die Bodmerei eingegangen ist; er muß sich jedoch eine
verhältnißmäßige Herabsetzung der Prämie gefallen lassen; bei der Herabsetzung ist
vorzugsweise das Verhältniß der bestandenen zu der übernommenen Gefahr maßgebend.
Wird die Bodmereireise in einem anderen als in ihrem Bestimmungshafen
beendet, so ist die Bodmereischuld ohne einen Abzug von der Prämie in diesem
anderen Hafen nach dem Ablaufe der vertragsmäßigen und in deren Ermangelung
der achttägigen Zahlungsfrist (§. 687) zu zahlen. Die Zahlungsfrist wird von dem
Tage der endgültigen Einstellung der Reise berechnet.