Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

48 Erstes Kapitel. 
mässige Bestimmungen und als Konstituirung eines vertrags- 
mässigen Verhältnisses aufgefasst worden. 
Aber damit ist die Frage nicht entschieden, ob eine ver- 
tragsmässige Auffassung dieser Vorschriften unter einem an- 
dern Gesichtspunkte, wie dies für den Staatenbund um der 
völkerrechtlichen Rechtsordnung willen, in der er beruhte, 
nothwendig war, auch für den Bundesstaat gefordert oder 
doch zulässig sei. 
Dieselbe kann sich nicht dahin erstrecken, den Bundes- 
staat, der zu seiner Behauptung gegenüber den Unterthanen 
mit eigenen Rechts- und Machtwitteln ausgestattet ist, in seiner 
Existenz schlechthin und in allen Beziehungen seiner Verfas- 
sung nur auf die vertragsmässige, völkerrechtliche Anerken- 
nung der Einzelstaaten zu stützen. Eine solche Ausdehnung 
könnte nur geschehen um den Preis, den Bundesstaat als 
staatsrechtliche Potenz überhaupt zu leugnen. 'Thut man dies 
nicht, alsdann findet eine vertragsmässige Betrachtungsweise 
nur unter einer doppelten Voraussetzung Raum. 
1) Die Bestimmungen der Verfassung oder doch wesent- 
liche Theile derselben können als die endgültigen Normen in 
Betracht kommen, welche die Rechtssphäre der Gesammtheit 
von der Rechtssphäre der Einzelstaaten dergestalt abgrenzen, 
dass ausserhalb dieser Bestimmungen der Einzelstaat schlecht- 
hin als solcher, als losgelöst von jeder Beziehung zur Ge- 
sammtheit und damit in völkerrechtlicher Selbständigkeit 
gegenüber dem Bundesstaate wie gegenüber allen Einzel- 
staaten erscheint. 
_2) Dieses Verhältniss kann dadurch verstärkt sein, dass 
sich die Einzelstaaten ihre Selbständigkeit und individuelle 
Wirksamkeit, wie sie durch die Verfassung oder doch durch 
wesentliche Theile derselben festgestellt sind, gegenseitig 
verbürgt haben, Hier ist die Verfassung umgeben von einem 
vertragsmässigen Verhältnisse und zwar dergestalt allerdings, 
dass die Vorschriften der Verfassung neben ihrer Funktion als 
Willensbestimmungen einer Gesammtheit gleichzeitig als die 
nähern Bestimmungen dieses Vertragsverhältnisses, als Be-
	        
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