Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1901. (35)

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§. 63. 
Der Anrufung ist Folge zu geben, wenn sie von beiden Theilen erfolgt 
und die betheiligten Arbeiter und Arbeitgeber — letztere sofern ihre Zahl mehr 
als drei beträgt — Vertreter bestellen, welche mit der Verhandlung vor dem 
Einigungsamte beauftragt werden. 
Als Vertreter können nur Betheiligte bestellt werden, welche das fünfund- 
zwanzigste Lebensjahr vollendet haben, sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte 
befinden und nicht durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über ihr Ver- 
mögen beschränkt sind. 
Soweit Arbeiter in diesem Alter nicht, oder nicht in genügender Anzahl 
vorhanden sind, können jüngere Vertreter zugelassen werden. 
Die Zahl der Vertreter jedes Theiles soll in der Regel nicht mehr als 
drei betragen. Das Einigungsamt kann eine größere Zahl von Vertretern zulassen. 
Ob die Vertreter für genügend legitimirt zu erachten sind, entscheidet das 
Einigungsamt nach freiem Ermessen. 
§. 64. 
Erfolgt die Anrufung nur von einer Seite, so soll der Vorsitzende dem 
anderen Theile oder dessen Stellvertretern oder Beauftragten Kenntniß geben und 
zugleich nach Möglichkeit dahin wirken, daß auch dieser Theil sich zur Anrufung 
des Einigungsamts bereit findet. 
§. 65. 
Auch in anderen Fällen soll der Vorsitzende bei Streitigkeiten der im §. 62 
bezeichneten Art auf die Anrufung des Einigungsamts hinzuwirken suchen und 
dieselbe den Betheiligten bei geeigneter Veranlassung nahe legen. 
§. 66. 
Der Vorsitzende ist befugt, zur Einleitung der Verhandlung und in deren 
Verlauf an den Streitigkeiten betheiligte Personen vorzuladen und zu vernehmen. 
Er kann hierbei, wenn das Einigungsamt gemäß §. 63 oder §. 64 angerufen 
worden ist, für den Fall des Nichterscheinens eine Geldstrafe bis zu einhundert 
Mark androhen. Gegen die Festsetzung der Strafe findet Beschwerde nach den 
Bestimmungen der Civilprozeßordnung statt. 
Eine Vertretung betheiligter Personen durch deren allgemeine Stellvertreter 
(§. 45 der Gewerbeordnung), Prokuristen oder Betriebsleiter ist zulässig. 
§. 67. 
Das Gewerbegericht, welches als Einigungsamt thätig wird, besteht neben 
dem Vorsitzenden aus Vertrauensmännern der Arbeitgeber und der Arbeiter in 
gleicher Zahl. 
Reichs-Gesetzbl. 1901. 70
	        
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