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.§ 120.
Als Rheder im Sinne der §§. 117 bis 119 gelten auch die Vorstands-
mitglieder von Aktiengesellschaften oder sonstigen durch einen Vorstand vertretenen
Handelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften und juristischen Personen,
welche Rhederei betreiben.
§. 121.
Die Verfolgung wegen der in den §§. 93 bis 119 bezeichneten strafbaren
Handlungen findet auch dann statt, wenn die strafbaren Handlungen außerhalb
des Reichsgebiets begangen sind.
Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt in diesem Falle erst mit
dem Tage, an welchem das Schiff, dem der Thäter zur Zeit der Begehung
angehörte, zuerst ein Seemannsamt erreicht.
Die Verfolgung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Thäter ein
Ausländer ist.
§. 122.
In den Fällen des §. 93 Abs. 1, 2 und der §§. 95, 96, 107, 114 bis
116, 118, 119 erfolgt die Untersuchung und Entscheidung durch das Seemanns-
amt, im Falle des §. 93 Abs. 2 jedoch nur, wenn dieses seinen Sitz außerhalb
des Reichsgebiets hat, und in den Fällen der §§. 118, 119 nur, wenn es seinen
Sitz im Inlande hat.
§. 123.
Das Seemannsamt hat den Angeschuldigten verantwortlich zu vernehmen
und den Thatbestand mit möglichster Beschleunigung festzustellen. Eine Ver-
eidigung von Zeugen findet nicht statt. Nach Abschluß der Untersuchung ist ein
mit Gründen versehener Bescheid zu ertheilen, welcher zu verkünden und dem
Angeschuldigten im Falle seiner Abwesenheit in Ausfertigung zuzustellen ist.
Wird eine Strafe festgesetzt, so ist die Dauer der für den Fall des Unvermögens
an Stelle der Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe zu bestimmen. Der Bescheid
wirkt in Betreff der Unterbrechung der Verjährung wie eine richterliche Handlung.
Das Verfahren vor dem Seemannsamt ist gebührenfrei.
Im Inlande finden auf dasselbe die Vorschriften der §§. 170, 173 bis
176 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Oeffentlichkeit entsprechende Anwendung.
Im Uebrigen wird das Verfahren vor dem Seemannsamte durch Ver-
ordnung des Bundesraths geregelt. Die Verordnung ist dem Reichstage bei
seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnißnahme vorzulegen.
§. 124.
Gegen den Bescheid des Seemannsamts kann der Beschuldigte innerhalb
einer zehntägigen Frist von der Verkündigung oder der Zustellung ab auf
gerichtliche Entscheidung antragen. Der Antrag ist bei dem Seemannsamte zu
Protokoll oder schriftlich anzubringen. Dasselbe hat dem Antragsteller auf
Verlangen eine Bescheinigung über den Antrag zu ertheilen.
Reichs- Gesetzbl. 1902. 46