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(Nr. 3059.) Gesetz, betreffend Kaufmannsgerichte. Vom 6. Juli 1904.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats
und des Reichstags, was folgt:
Errichkung und Zusammensetzung der Kaufmannsgerichte.
§ 1.
Zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Dienst= oder Lehrverhältnisse
zwischen Kaufleuten einerseits und ihren Handlungsgehilfen oder Handlungs-
lehrlingen andererseits können bei vorhandenem Bedürfnisse Kaufmannsgerichte
errichtet werden.
Die Errichtung erfolgt für den Bezirk einer Gemeinde durch Ortsstatut
nach Maßgabe des § 142 der Gewerbeordnung. Die Entscheidung der höheren
Verwaltungsbehörde über die Genehmigung des Statuts ist binnen sechs Monaten
zu erteilen. Die Entscheidung, durch welche die Genehmigung versagt wird, muß
mit Gründen versehen sein.
Mehrere Gemeinden können sich durch übereinstimmende Ortsstatuten zur
Errichtung eines gemeinsamen Kaufmannsgerichts für ihre Bezirke vereinigen.
Für die Genehmigung der übereinstimmenden Ortsstatute ist die höhere Ver-
waltungsbehörde zuständig, in deren Bezirke das Kaufmannsgericht seinen Sitz
haben soll.
Auch für den Bezirk eines weiteren Kommunalverbandes kann ein Kauf-
mannsgericht errichtet werden. Die Errichtung erfolgt in diesem Falle nach
Maßgabe der Vorschriften, nach welchen Angelegenheiten des Verbandes statutarisch
geregelt werden. Die Zuständigkeit eines solchen Gerichts ist ausgeschlossen, soweit
die Zuständigkeit eines für eine oder mehrere Gemeinden des Bezirkes bestehenden
oder später errichteten Kaufmannsgerichts begründet ist.
Die Landes-Zentralbehörde kann auf Antrag beteiligter Kaufleute oder
Handlungsgehilfen die Errichtung anordnen, wenn ungeachtet einer von ihr an
die beteiligten Gemeinden oder den weiteren Kommunalverband ergangenen
Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist die Errichtung auf dem in Abs. 2
bis 4 vorgesehenen Wege nicht erfolgt ist. Alle Bestimmungen, welche dieses
Gesetz dem Statute vorbehält, erfolgen in diesem Falle durch Anordnung der
Landes-Zentralbehörde.
Vor der Errichtung sind sowohl Kaufleute als Handlungsgehilfen des
Bezirkes in entsprechender Anzahl zu hören.
§ 2.
Für Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als
zwanzigtausend Einwohner haben, muß ein Kaufmannsgericht errichtet werden.