Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen oder 
ökonomischen Aufgaben leben sollten und könnten. 
Wären einmal durchweg oder wenigstens vorwiegend, 
die erwachsenen Männer und Frauen entweder in der Ehe- 
oder in Anstalten der oben angedeuteten Art, oder, soweit 
die Gesellschaft gegen sie einzuschreiten Ursache hätte, in den 
ebenfalls erwähnten Zwangsarbeitshäusern versorgt, so wäre 
nach unsener Ansicht ein Hauptteil der sozialen Frage und 
damit größtenteils auch die so schwierige Prostitutionsfrage 
gelöst. 
Eine wichtige Voraussetzung dieser Lösung ist nämlich 
die Erleichterung der Eheschließung. Was derselben haupt- 
sächlich im Wege steht, ist die Genußsucht beider Geschlechter 
und die Putzsucht des weiblichen insbesondere. Um diesen 
Übelständen entgegenzuarbeiten, ist zweierlei notwendig: 1. die 
Beschränkung der Wirtshäuser auf das Bedürfnis der 
Reisenden (denn für die Einheimischen sind sie absolut 
kein Bedürfnis) und die Aufhebung der Tanz= und Konzert- 
lokale.*') 2. Ein moralischer Unterricht in der Schule, 
welcher für Angehörige aller religiösen Bekenntnisse, ohne 
deren besonderen Glauben zu berühren, gemeinsam zu erteilen 
wäre, was bei einigem ernstlichen Willen und entschiedener 
Toleranz möglich sein sollte. Thatsächlich enthalten alle 
civilisierten Religionen dieselben moralischen Gebote, wie sie 
im Dekalog des Mose enthalten sind und von Juden, Christen 
und Islamiten anerkannt werden — und mit diesen bieten 
die ebenfalls zehn Gebote der Buddhisten die größte Ahn- 
lichkeit dar. 
*) Essen und Trinken sollen Mann, Frau und Kinder nur zu 
Hause, im Familienkreise, oder bei Freunden. Künstlerische Konzerte 
aber sollen, gleich dem Theater, ohne wirtschaftliche Beimengung genossen 
und aller Tingeltangel, als eine Hauptquelle der Prostitution, verboten 
werden. — 
Dr. Otto Henne am Rhyn. Sittenpolizei. 2 
—
	        
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