Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

Im siebenten Jahrhundert waren, sagt Dahn, „die 
ehelichen und Familien-Zustände im fränkischen Reiche so 
erschreckend herabgesunken, daß Abnahme der Bevölkerung 
einzutreten drohte, weil Viele die üble Gewöhnung ange— 
nommen hatten, die Geborenen lieber umkommen zu lassen, 
als sie aufzuziehen.“ 
Karl der Große sah sich durch die sittenlosen Zustände 
seiner Zeit genötigt, in seinen Kapitularien den Geistlichen, 
besonders den Mönchen und Nonnen, Unzucht und den 
Ersteren unnatürliche Sünde, sowie Beiden schwelgerische 
Feste und unzüchtige Gesänge zu verbieten. Gegen die 
öffentlichen Dirnen und ihren Anhang verfügte er Aus- 
peitschung und Ausstellung am Pranger und schrieb vor, daß 
diejenigen, welche ihnen Aufnahme gewährten, sie auf ihrem 
Rücken zum Strafplatze tragen und gleich ihnen gestraft 
werden sollten. 
Leider aber gab dieser große Monarch nicht das beste 
Beispiel. Zwar verzichtete er auf die Vielehe, nicht aber 
auf die thatsächliche Vielweiberet. Er hatte nach einander 
vier Gattinnen, neben ihnen aber sechs Genossinnen, deren 
eine in die Würde der Gattin vorrückte. Von ihnen allen 
hatte er achtzehn Kinder, von denen fünf in zarter Jugend 
und von den übrigen wenigstens alle Söhne bis auf einen 
einzigen, und zwar den unfähigsten, der ihm nachfolgte, 
(Ludwig der Fromme), in reiferm Alter vor ihm starben. 
Von Karls Töchtern erbten zwei, Rotrud und Bertha, 
das Temperament des Vaters; denn beide lebten in unrecht- 
mäßigen Liebesbünden. Rotrud war zur Verknüpfung des 
West= und des Ostreiches bestimmt, die sich aber zerschlug, 
und hatte später von dem Grafen Rorich von Maine einen 
Sohn Ludwig, der drei Abteien erhielt und Karls des Kahlen 
Reichskanzler wurde. Ihre Schwester Bertha schenkte dem 
Geliebten Angilbert, späterem Abte von St. Riquier, sogar 
zwei Sprößlinge: Hartnid und den Geschichtschreiber Nithard. 
Dr. Otto Henne am Rhyn. Sittenpolizei. 4
	        
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