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ist, um das hundert- und tausendfache übersteigt. Dies zu
leugnen oder die Berechtigung jener Vereinigung auf die Absicht
der Zeugung zu beschränken, — dazu gehört entweder Fisch—
blut oder Heuchelei, oder beides! Diese Ansicht bedarf der
Liebe nicht; denn was sie will, ist den einander gleichgiltigsten
Menschen möglich; es dürfte daher ziemlich durchsichtig sein,
daß dieser Standpunkt im Hintergrunde die Begünstigung
der Konvenienzehe und die Beschränkung oder noch lieber
Unterdrückung der Ehe aus Liebe birgt.
Ebenso sehr aber, widerstreitet den Thatsachen der Natur
die Verleugnung des Zweckes der Kinderzeugung und die
Beschränkung des Verhältnisses der Geschlechter auf das
„Vergnügen.“ Wollte man diesen Standpunkt „stierisch“
nennen, so würde man vielen und gerade den intelligentesten
Tieren unrecht thun, da diese für ihre Jungen zärtlich besorgt
sind, wenigstens bis auf eine gewisse Zeit. Er ist demnach
schlimmer als tierisch und kommt im wesentlichen dem Verlangen
nach einer allgemeinen Prostitution gleich.
Die Konvenienzehe ist, da sie die Liebe ausschließt,
zugleich unnatürlich und unsittlich; beides ist auch in der
Regel der geschlechtliche Umgang ohne Ehe, weil er die
Sorge für die Nachkommenschaft meist ausschließt, was freilich
auch in der Ehe oft vorkommt, aber, der Natur dieses Ver—
hältnisses gemäß nicht immer mit Absicht, sondern meist nur
infolge mißlicher Umstände oder aus anderen Ausnahmegründen.
Aus dieser Anomalie geht mit Notwendigkeit hervor, daß es
Fälle geben kann, in welchen, die gegenseitige Treue voraus-
gesetzt, ein fortgesetzter Umgang ohne anerkannte Sanktion
in sittlicher Beziehung der Ehe gleichwertig ist. Hat ja die
letztere verschiedene Formen. Der Kirche gilt die Civilehe
ohne kirchliche Weihe, dem modernen Staate aber die kirchliche
Trauung ohne Civilakt nicht als rechtmäßige Eheschließung.
Eine bloße Gewissensehe zwischen ehrbaren Leuten, nicht aber
eine wilde Ehe ohne ethische Weihe, kann, unter allerdings
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