Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

FreiheitTund Sicherheit des Eigentums. (8. 58.), 221 
schränkung 1 des Grundeigentums, beziehungsweise der Rechte am Grundeigentum (8§. 1 
und 6 des G.). Als Rechte am Grundeigentum können Privilegien, die zwar mit dem 
Grundeigentum verbunden sind, aber an sich keinen Zusammenhang mit dem Grundeigen- 
tum haben, nicht betrachtet werden. Das Grundstück kann unter allen Umständen ent- 
eignet werden; wie es mit jenen Rechten, als deren wichtigste die Apothekerprivilegien 
erscheinen, zu halten sei, ist durch das Gesetz nicht geregelt. Dagegen bezieht das 
Gesetz sich nicht auf die Enteignung von beweglichen Sachen. Die Fälle, welche in 
dieser Beziehung eine hervorragend praktische Bedeutung haben , sind vielmehr reichs- 
rechtlich durch besondere Gesetze geordnet, nämlich a) die Enteignung von Motbilien, 
welche für Kriegszwecke erfolgt, durch das Reichsgesetz über die Kriegsleistungen vom 
13. Juni 18734, und b) die Enteignung, welche bei Viehseuchen erfolgt, durch das 
Reichsgesetz v. 7. April 1869, betreffend Maßregeln gegen die Rinderpest5, und durch 
die Reichsgesetze v. 23. Juni 1880 und v. 1. Mai 1894, betreffend die Abwehr und 
Unterdrückung von Viehseuchen ", nebst den preußischen Gesetzen v. 12. März 1881 u. 
v. 18. Juni 1894, betreffend die Ausführung der gedachten Reichsgesetze.“ Diese Ge- 
setze enthalten insbesondere auch die Bestimmungen über die Entschädigung, welche den 
durch deren Ausführung Beschädigten zu gewähren ist. 
Enteignungsrechtes ist danach folgendes: 
— Das Sgystem des preußischen 
1. Das Gesetz v. 11. Juni 1874 spricht zuvörderst in §.,1, entsprechend dem Art. 9 
der Verfassungsurkunde, 
das allgemeine Prinzip aus, „daß das Grundeigentum nur 
aus Gründen des öffentlichen Wohles für ein Unternehmen, dessen Ausführung 
die Ausübung des Enteignungsrechtes erfordert, 
entzogen oder beschränkt werden kann“, 
schädigung? 
gegen vollständige Ent- 
und dehnt (§. 6) diesen 
Grundsatz auch auf die Entziehung und Beschränkung der Rechte am Grundeigentume, 
  
stimmungen über das Wiederkaufsrecht bezüglich 
des enteigneten Grundstücks (uvgl. G. v. 3. Nov. 
1838, §§. 11—19) für aufgehoben, wogegen das 
gesetzliche Vorkaufsrecht bezüglich teilweise ent- 
eigneter Grundstücke bedingt aufrecht erhalten 
bleibt, s. über die zahlreichen und schwierigen 
Einzelfragen, die sich aus dieser Vorschrift des 
§. 57 ergeben, Eger, Bd. II, S. 582 ff. 
1 Der erste Entwurf des Gesetzes enthielt (§. 50, 
Ziffer 1 u. 2) die Bestimmung, daß die Vor- 
schriften des Gesetzes keine Anwendung finden 
auf gesetzliche Beschränkungen des Grundeigen- 
tums und auf Entschädigungsansprüche aus polizei- 
lichen Verfügungen (vgl. Stenogr. Ber. des H. H. 
1868—69, Bd. II, Aktenst. Nr. 10, S. 53 und 
die Motive hierzu, a. a. O., S. 819. Das Herren- 
haus hat den Wegsall dieser Positionen des §. 50 
des Entwurfs beschlossen, und zwar deshalb, weil 
deren Inhalt sich von selbst verstehe, sie mithin 
entbehrlich seien, und weil, wenn sie eine weiter- 
gehende Bedeutung haben sollten, ihre Tragweite 
sich nicht übersehen lasse (vgl. den Kommissions- 
bericht v. 14. Dez. 1868 in den Stenogr. Ber., 
a. a. O., Aktenst. Nr. 37, S. 221, Sp. 2 und 
Stenogr. Ber. a. a. O., Bd. L, S. 112). In 
der Tat ist selbstverständlich, daß unter den „Be- 
schränkungen“, auf welche sich das Gesetz bezieht, 
nur solche verstanden werden können, welche 
durch einen besonderen Akt der Staategewalt auf- 
erlegt werden, keineswegs aber solche, welche auf 
allgemeinen gesetzlichen Vorschriften beruhen, wie 
dies auch schon bei der Beratung über Art. 9 
der Verf. Urk. mit Recht hervorgehoben wurde 
(vgl. hierüber S. 216). 
* Bgl. dazu die Erörterungen in der D. Jur.= 
Zeit. 1902, Nr. 22 (Fränkel); 1903, Nr. 1 
  
(Gumbinner, Kayser), die die Frage nicht 
erledigen. 
2 Zu den Fällen der Enteignung von beweg- 
lichen Sachen gehört auch die Bestimmung des 
A. L. R., 1, 11, §. 7, wonach bei entstehendem 
Getreidemangel der Staat berechtigt ist, zur Ab- 
wendung einer drohenden Hungersnot die Be- 
sitzer von Getreidevorräten zur Ausstellung der- 
selben zum feilen Verkaufe, jedoch mit Vorbehalt 
ihres eigenen Bedürfnisses, zu nötigen. Diese 
Bestimmung, welche nur für das Rechtsgebiet 
des Allgem. Landrechts besteht, wird zwar durch 
das G. v. 11. Juni 1874 nicht berührt, darf in- 
des wohl als obsolet bexichnet werden. 
* R. G. Bl. 1873, 129 ff.; vgl. Layer, 
Prinzipien des Enteigmungsrechts 1902, S. 565. 
579, 580; Laband, St. R., 1V, . 286 ff.; 
G. Meyer, Verw. K., II, S 159 ff.; Otto 
Mayer, Verw. R., II, S. 267; Zorn, St. R., 
II. S. 658. 
* B. G. Bl. 1869, S. 105 ff. 
* R. G. Bl. 1880, S. 153 ff.; 1894, S. 410. 
* G. S. 1881, S. 128 ff.; 1894, S 115 fl. 
§ Vgl. das Nähere hierüber im Verw. Recht. 
* Eger, I1, S. 12 ff. Diesen Grundsatz 
erkennt schon der §. 75 der Einleitung zum A. L. 
R. an, indes ist der Staat aus dieser letzteren 
Bestimmung nicht ganz allgemein und un- 
bedingt und namentlich dann nicht zur Ent- 
schädigung verpflichtet, wenn die Befugnis zur 
Anlage schon aus den Bestimmungen der §ss. 
36 — 38 A. L. R., 1, 6, und der §§. 26—28 
A. L. R., I, 8 hergeleitet werden kann (Bal. 
Plenarbeschluß des Ob. Trib. v. 1. Juli 1850, 
Präj. Nr. 2220, Entsch., Bd. XX, S. 3, J. M. 
Bl. 1850, S. 303).
	        
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