Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

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auch aus etwaigen Nebenräumen des Versammlungslokales, zu entfernen.' 
Das Staatsbürgerrecht. 
(8. 60.) 
Diese Er— 
klärung kann nötigenfalls durch die bewaffnete Macht zur Ausführung gebracht werden 
(8. 6), welche gemäß Reichsverfassung Art. 66 zu requirieren ist. 
Selbst eine durch 
den Vorsitzenden geschlossene Versammlung kann mit den Folgen des §. 6 polizeilich auf- 
gelöst werden. 2 
Die Strafen gegen diejenigen, welche sich nach der erklärten Auflösung nicht sofort 
entfernen 3, bestimmt der §. 15.4 
7. Niemand darf in einer Versammlung bewaffnet erscheinen, mit Ausnahme der 
im Dienste befindlichen Polizeibeamten (§. 7)5; die Versammlung muß, wie die Ver- 
fassung sagt, „friedlich und ohne Waffen“ stattfinden.“ 
Die Zuwiderhandlung wird nach den Vorschriften des §. 18 bestraft?, und die 
Aufforderung, in einer Versammlung mit Waffen zu erscheinen, oder die Verbreitung der 
Aufforderung hierzu, oder die Austeilung von Waffen in einer Versammlung nach den 
Vorschriften des §. 19.3 
8. Für Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände?" in Versammlungen 
  
1 Dies muß auch dann geschehen, wenn die 
Auflösung ohne Grund geschehen sein sollte. Der 
Ausspruch des Abgeordneten der Polizeibehörde ist 
in allen Fällen sofort bindend. Vgl. Entsch. d. 
Ob. Trib. IX, S. 720; Caspar, S. 84; 
Schwartz, Verf. Urk., S. 396. 
* Schwartz, Verf. Urk., S. 394. 
* Wer sich nicht sofort entfernt, nachdem der 
Abgeordnete der Polizeibehörde eine Versammlung 
für aufgelöst erklärt hat, verwirkt selbst dann die 
Strase des §. 15 des G. v. 11. März 1850, 
wenn jene Auflösung nicht aus einem der Gründe 
erklärt war, aus welchen das Gesetz (88. 5—8) 
ausdrücklich eine solche Maßregel für statthaft er- 
klärt (Erk. des Ob. Trib. v. 10. Dez. 1868, 
Oppenhoffs Rechtspr., Bd. IX, S. 720). 
* Nämlich Geldbuße von 15—150 Mark oder 
Gefängnisstrafe von 8 Tagen bis zu 3 Monaten. 
5 a) Gegenstände, welche ihrer natürlichen Be- 
stimmung nach nicht dem Zwecke dienen können, 
beim Angriffe oder bei der Verteidigung als 
Mittel einer zuzufügenden Verletzung benutzt zu 
werden, können den Charakter einer Waffe nur 
unter Berücksichtigung des Zweckes der Mitnahme 
und des bei derselben obwaltenden Bewußtseins 
annehmen. Zu solchen Gegenständen ist auch ein 
Rapier, wegen seiner gewöhnlichen Bestimmung 
zu Fechtübungen, zu zählen (Erk. des Ob. Trib. 
v. 31. März 1864, Oppenhoffs Rechtsprechung, 
Bd. IV, S. 433, Goltdammers Archiv, Bd. XII, 
417). Entsch. d. Reichsgerichts i. Straff. I, 
445, V, S. 115; Caspar, S. 59; Delius, 
. 26; Thilo, S. 55. b) Das Führen von 
Ehrendegen bei den im §. 10 des Gesetzes gedach- 
ten gewöhnlichen Leichenbegängnissen, kirchlichen 
Prozessionen usw., wenn sie in der hergebrachten 
Art stattfinden, ist nicht für ein nach §. 7 ver- 
botenes Wasfentragen in öffentlichen Versamm- 
lungen zu erachten (Erk. des Ob. Trib. v. 14. April 
1853, Goltdammers Archiv, Bd. 1, S. 379—380. 
Ic) Über die Ausnahme bezüglich der Kriegervereine 
ogl. S. 277, Note 1. 
* Agl. Caspar, S. 58 f. 
*' Nämlich mit Gefängnis von 14 Tagen bis 
zu 6 Monaten. 
s Nämlich mit Gefängnis von 6 Wochen bis 
zu einem Jahre. 
6G' & G. 
  
a) Die Frage, ob ein „politischer Verein“ 
im Sinne des §. 8 gestiftet worden, wer Vor- 
stand und wer Mitglied desselben geworden sei, 
ist nicht bloß nach den formell zugrunde ge- 
legten Statuten des Vereins, sondern nach allen 
obwaltenden tatsächlichen Verhältnissen und der 
an jedem Orte entwickelten Vereinstätigkeit zu 
beurteilen (Erk. des Ob. Trib. v. 27. März 
1873, Entsch. Bd. LXIX, S. 1257, Oppenhoffs 
Rechtsprechung, Bd. XIV, S. 224, Goltdammers 
Archiv, Bd. XXI, S. 472). Vgl. auch die Erk. 
des Ob. Trib. v. 11. Nov. 1875 (Entsch., Bd. 
LXXVI, S. 403, Oppenhoffs Rechtsprechung, 
Bd. XVI, S. 719, Goltdammers Archiv, Bd. 
XXIII, S. 628) und v. 30. März 1874 (M. 
Bl. d. i. Verw. 1874, S. 162, Oppenhoffs 
Rechtsprechung, Bd. XV, S. 209, Goltdammers 
Archiv, Bd. XXII, S. 511). Vgl. auch Caspar, 
S. 43 ff., Entsch. d. O. V. G. XX, S. 442. 
b) Eine Vereinigung Mehrerer, welche unter 
Leitung eines Geschäftsführers in örtlichen Ver- 
sammlungen politische Gegenstände zu erörtern 
bezweckt, ist ein selbständiger politischer Verein 
und verliert diese Eigenschaft auch nicht dadurch, 
daß sie im übrigen sich als Nebenverein eines 
anderweitig bestehenden Hauptvereins darstellt; 
vielmehr fällt dann diese Verbindung gerade 
unter das Vereinsgesetz v. 11. März 1850, 85. 8, 
16, 21 (Erk. des Oberappellationsgerichts zu 
Berlin v. 27. Jan. 1869, J. M. Bl. 1869, 
S. 54; M. Bl. d. i. Verw. 1869, S. 54; 
Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. X, S. 56 
Goltdammers Archiv, Bd. XVII, S. 286). 
c) Politische Gegenstände sind alle den Staat 
als lebendigen Organismus betreffende Gegen- 
stände. Zu ihnen gehört alles, was unter den 
Begriff der Staatswissenschaft im weiteren Sinne 
des Wortes zu begreifen ist. Bei Unterstellung 
der einzelnen Vorträge unter diesen Begriff ist 
der Gegensatz der übrigen Wissenschaften, der 
Kunst, der Geschichte, der Literatur, Religion, 
Technik, Gewerbe an sich festzuhalten. Dabei 
entscheidet nicht die Namengebung, sondern das 
Wesen des gehaltenen Vortrages. Ein Verein, 
welcher absichtlich und bewußt in seinen Ver- 
sammlungen politische Gegenstände erörtert hat, 
unterliegt den Bestimmungen der §§. 8 u. 16,
	        
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