Grundpflichten und Grundrechte. (F. 53.) 89
Den bei dem Könige oder bei den höheren Behörden einzureichenden Gesuchen und
Beschwerden, welche deutlich gefaßt und geschrieben werden müssen, sollen die früheren
Resolutionen, worüber Beschwerde geführt, oder gegen welche Vorstellung gemacht wird,
im Original beigefügt werden. 1 Die Bittsteller sollen ihre Gesuche durch die Post abschicken,
nicht aber selbst ihre Vorstellungen überbringen, und nicht durch persönliches Supplizieren
lästig werden.? Ein jeder, der fähig ist, deutlich zu schreiben, kann die an den König
oder die Ministerien gerichteten Vorstellungen für sich, seine Verwandten, Freunde und
Bekannte anfertigen. Außerdem müssen von jedem bei den Obergerichten und Regie-
rungen, bei allen Gerichten und Behörden des Landes, sowie auch von den Rechts-
anwälten Gesuche und Beschwerden über Dinge des Geschäftskreises der angerufenen
Behörde zu Protokoll angenommen und unverzüglich weiter befördert werden.
Wer diesen Bestimmungen nicht Folge leistet, sondern mit Ubergehung einer Be-
hörde, oder mit Unterlassung der bestimmten Form, Beschwerden und Gesuche anbringt,
hat zu gewärtigen, daß ihm seine Vorstellung ohne Verfügung zurückgegeben wird. Wer
sich dadurch nicht bedeuten läßt, sondern sein unförmliches Gesuch wiederholt 4, desgleichen,
wer einmal beschieden worden, und sein Gesuch ohne besonderen Grund wiederholt, soll
bestraft werden.
Staatsbehörden berechtigt sind, materiell in den
verfassungsmäßigen Wirkungskreis der Gerichte
einzugreifen. Deshalb folgen die Beschwerden
über Entscheidungen und Verfügungen der Ge-
richte lediglich dem gesetzlich geordneten Instanzen=
zuge der Gerichtsverfassung und es findet
eine Einwirkung des Justizministers auf den
Rechtsgang nur noch insofern statt, als ihm
solche — insbesondere in Sachen, welche ledig-
lich die Disziplin, den Geschäftsbetrieb oder Ver-
zögerungen betreffen — in seiner Eigenschaft als
Oberaufsichtsinstanz ausdrücklich vorbehalten ist.
1 Auf den Kuverten der Immediatgesuche
soll der Name und Stand des Absenders ver-
merkt und auf der ersten Seite der Bittschrift
am Rande der Inhalt kurz angegeben werden
(K. O. v. 11. Nov. 1840 und Zirk. Restkr. des
Min. d. Inn. u. d. P., des Königl. Hauses
u. der Fin. v. 13. April 1841, M. Bl. d. i.
Verw. 1841, S. 104, desgl. Zirk. Reskr. des
Just. Min. v. 25. Nov. 1840, Just. M. Bl.
1840, S. 382).
Gegen das tumultuarische eigenmächtige Ver-
fahren bei Beschwerdeführungen, besonders sup-
plizierender Gewerke und Korporationen, ist spe-
ziell das Pat. v. 29. Juli 1794 (MyFlius, X.
C. C. Tom. XlI, p. 2381, Rabe, Samml.,
Bd. II. S. 668) gerichtet. — Vgl. das Publ.
des Ob. Präsid. der Provinz Sachsen v. 4. Jan.
1844, betr. die Berhinderung unbegründeter
Dmmediatgesuch- (M. Bl. d. i. Verw. 1844,
S. 2).
* Vgl. hierüber insbes. §. 16, A. G. O., III,
1, Publik. v. 17. März 1798, §. 4, Publik. v.
14. Febr. 1810, FS. IV.
Auf Vorstellungen, die aus dem Kabinette
an die Behörden remittiert werden, sollen diese
sogleich Bescheid, oder doch vorläufig Nachricht
erteilen, damit nicht Immediatgesuche aus Man-
gel an Resolution wiederholt werden (K. O. v.
9. Aug. und Zirk. Reskr. v. 30. Aug. 1809,
Rabe, Samml., Bd. X, S. 144). Die Be-
scheide auf Immediatvorstellungen sollen be-
schleunigt werden (Reskr. v. 9. Mai 1831, v.
— —
Übrigens sind sämtliche Behörden angewiesen
worden, wegen etwaiger in. Immediatvorstellungen
enthaltenen verletzenden Außerungen oder Ver-
leumdungen und kalumniösen Beschuldigungen,
sowie wegen des dadurch begangenen Querulierens
niemals ohne ausdrücklichen allerhöchsten Befehl
oder anders als mit allerhöchster Genehmigung
eine Verfolgung und Bestrafung eintreten zu
lassen (uvgl. K. O. v. 20. Aug. 1831 und Erlaß
v. 18. Dez. 1841; v. Kamptz, Jahrb., Bd.
XXXVII,. S. 336; J. M. Bl. 1842, S. 53,
u. M. Bl. d. i. Verw. 1842, S. 52). Durch
das Zirk. Reskr. des Finanzmin. v. 13. Dez. 1878
(M. Bl. d. i. Verw. 1879, S. 25) ist auf diese
Bestimmungen als fortbestehend hingewiesen, zu-
gleich aber sind die Behörden angewiesen worden,
die Mitteilung der ihnen zugefertigten Immediat-
eingaben und Beschwerdeschriften, worin ver-
letzende Außerungen enthalten sind, an die betr.
Unterbehörden und Beamten tunlichst zu ver-
meiden und dergl. Eingaben nur im Auszuge,
mit Hinweglassung der verletzenden Stellen, zu-
zufertigen oder sich durch Einforderung der Akten
die zur Berichterstattung nötige Auskunft zu ver-
schaffen, in gleicher Art auch hinsichts der Mit-
teilung aller bei den Behörden eingehenden Ein-
gaben und Beschwerden, welche Beleidigungen
und Anzüglichkeiten gegen untergeordnete Amts-
stellen und einzelne Beamte enthalten, zu ver-
fahren. Z„
5 Die Strafen der Ubertretung dieser Vor-
schrift sind im §. VI des Publik. v. 14. Febr.
1810, woraus der §F. 442 des Anh. zur A. G.
O., Bd. III, 1, §. 15 entnommen ist, vorge-
schrieben; auch werden die Strafen mutwilliger
Querulanten in den §§. 30, 31 A. G. O.,
Bd. III, 1 bestimmt. Das Ob. Trib. hat in
dem Erk. v. 26. Sept. 1351 angenommen, daß
diese Strafvorschriften durch das St. G. B. v.
14. April 1851 nicht für aufgehoben zu erachten
sind, weil das St. G. B. nichts über die Materie
bestimmt (Art. II des Einf. G.), J. M. Bl. 1852,
S. 180. Die im F. VI des Publik. v. 14. Febr.
1810 (F. 442, Anh. zur A. G. O.) angedrohten
Kamptz, Jahrb., Bd. XXXVII. S. 3367. —, Strafen können von dem betr. Ministerium oder