2 Die Süd-Donauländer vor der Herrschaft
Die rasche Vermehrung der Bojer in dem Gebiete südlich
der Donau und ihre steigende Macht rief in den Daciern
(Geten oder Gothen), welche östlich von der Raab wohnten,
die Besorgniß wach, sie möchten eines Tages durch die Bojer,
ihre Nachbarn im Westen, verdrängt werden. Daher rüsteten
sie in aller Stille und versuchten im Jahre 45 vor Christus
unter ihrem Könige Boirebistas einen Stoß auf die Ostbojer.
Diese hielten in Verbindung mit den ihnen verwandten Tau-
riskern unter Führung des Bojers Kritasiros eine Zeit lang
Stand, wurden aber endlich auf empfindliche Weise geschlagen,
und ihre Ländereien von der Raab bis zum Kahlenberge
(mons cetius) bei Wien in eine Wüste (Deserta Bojorum) ver-
wandelt. Die wenigen Ostbojer, die dem Schwerte der Dacier
nicht unterlegen waren, flüchteten zu den Westbojern in die
oberen Donau= und Alpengegenden (Rätien und Vindeli-
zien), geriethen aber hier, als Kaiser Augustus im Jahre 16
vor Christus ganz Noricum durch seinen Feldherrn Publius
Silus, und ein Jahr darauf Rätien und Vindelizien durch
seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius erobern und zu Pro-
vinzen seines Weltreiches machen ließ, unter die Botmäßigkeit der
Römer. Fast gleichzeitig (12 oder 10 v. Chr.) erfuhren auch
jene Bojer, die ungefähr seit dem Jahre 590 v. Chr. das
Quellgebiet der Elbe und Moldau (Bojohemum, Heimat der
Bojer, Böhmen) besetzt hielten, das Geschick ihrer Stammes-
genossen, indem sie von dem deutschen Volke der Markomannen
besiegt und unterworfen wurden.
Daß einige dieser Bojer zu den der Römerherrschaft dienst-
baren Ueberresten der Bojer in den oberen Donau= und Alpen-
gegenden gezogen seien, dafür mangeln historische Belege.
& 2. Die Römer hatten auf den oben erwähnten Kriegs-
zügen, die sie (16 und 15 v. Chr.) in die Süd-Donauländer
unternommen, neben und unter den Bojern auch Rätier,
Vindelizier und Noriker angetroffen, Völkerschwärme, die
weder deutschen noch keltischen, sondern tuscischen Stammes,
vermuthlich um 580 vor Chr. von den gallischen Kelten aus
ihren Wohnsitzen in Italien nach Norden verdrängt worden