Bajoarien unter dem Agilolfinger Tassilo II. 17
Thron gestoßen und diesen selbst eingenommen hatte, seinen
zwölfjährigen Neffen ganz an sich, machte ihn, der das vierzehnte
Lebensjahr eben erst angetreten, auf der Volksversammlung zu
Compiegne (Compendium) im Jahre 757 wehrhaft und ließ
sich und seinen Söhnen Karlmann und Karl vor den Großen
Franziens und Bajoariens feierlich den Lehenseid leisten.
Auf diese Weise förmlich zum Vasallen des fränkischen Königs
herabgedrückt, mußte Tassilo an der Spitze bajoarischer Krieger
dem Pippin auf seinem Zuge gegen die Sachsen Heerfolge
leisten, ohne für sich und sein Land auch nur den geringsten Vortheil
zu ziehen. Als er darauf mit seiner Streitmacht vier Jahre hinter-
einander (760, 761, 762, 763) zu Pippins Zügen gegen die
Aquitanier aufgeboten wurde, ergriff ihn auf dem letzten dieser
Züge ein solcher Unmuth, daß er unter dem Vorwande einer Un-
päßlichkeit plötzlich mit seinen Kriegern das fränkische Lager verließ und
heimkehrte, fest entschlossen, das fränkische Joch abzuschütteln (763).
Eine im Jahre 763 nach Aschhaim (eine Ortschaft zwischen
München und Erding) berufene Versammlung der geistlichen und
weltlichen Stände Bajoariens scheint diesen Schritt, so gewagt
er auch war, gutgeheißen und zu dem Bündnisse gerathen zu
haben, welches Tassilo gleich nach Beendigung des Landtags mit
dem von den Franken gleichfalls bedrohten Longobardenkönig
Desiderius zum Schutze wider das Frankenreich einging. Pip-
pin, der ob der drohenden Haltung der Aquitanier keine
ansehnliche Kriegsmacht nach Bajoarien werfen konnte, gedachte
später Rache zu nehmen, ward aber, als ihm hiefür der rechte
Augenblick gekommen schien, durch die von Tassilo angerufene
Vermittlung des Papstes Paul 1 von der Ausführung seines
Vorhabens zurückgehalten. Er schied, mit seinem Neffen Tassilo
vollständig ausgesöhnt, im Jahre 768 aus diesem Leben.
Des Verlebten älterer Sohn, Karl, mit dem Zunamen
der Große (768— 814), der anfänglich mit seinem Bruder
Karlmann gemeinschaftlich, und nach dessen plötzlichem Tode
(771) allein im Frankenreiche herrschte, ließ Bajoarien viele Jahre
hindurch in Ruhe, obschon er es mit steigendem Unbehagen wahr-
nahm, wie Tassilo durch seine Vermählung mit des Longo-
bardenkönigs Desiderius Tochter Luitberga . Bajoarien
Sattler, bayer. Geschichte.