Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

Oesterreich — Ungarn. 149 
klären, daß wir in denselben keine Vertreter senden werden; und indem wir 
alle solche Wahlen, die außerhalb des Reichstages etwa zu diesem erfolgen 
könnten, sowie auch die Annahme solcher. Wahlen als eine Verletzung un- 
serer Versassung erklären, erkennen wir nicht an, daß die auf diese Weise 
Gewählten Ungarn in welch'’ immer Beziehung vertreten können. 
„Nachdem über Ungarn und dessen Recht außer dem Willen des gesetzlichen 
Königs und dem verfassungsmäßig vereinigten Willen der Nation Niemand 
mit Recht verfügemr kann, so erklären wir hiemit, daß wir die auf 
Ungarn und die verbundenen Theile bezüglichen Verordnungen des Reichs- 
rathes für verfassungswidrig und ungiltig betrachten müssen, — daß wir 
keine Last, keine Pflicht, welche der Reichsrath begründet, kein Anlehen, 
dessen Aufnahme er beschließt, keinen Verkauf einer Staatsdomäne, zu wel- 
chem er seine Einwilligung ausspricht, in Bezug auf Ungarn für ver- 
fassungsmäßig und demzufolge für bindend anerkennen, und daß wir ge- 
nöthigt sein werden, das jederzeit als ohne Einwilligung des Landes un- 
rechtmäßig geschehen zu detrachten. Wir erklären, daß wir das cousti- 
tutionelle Recht der Nation, welchem gemäß sie über ihre eigenen Steuern 
und ihr Militär auf ihrem eigenen Reichstag verfügte, auch ferner unver- 
letzt erhalten wollen, und in die Uebertragung desselben auf den Reichstag 
niemals einwilligen. Wir halten uns fest an jenes constitutionelle Recht 
des Landes, demzufolge die gesetzgebende Gewalt, sowohl neue Gesetze zu 
schaffen als auch bereits sanctionirte Gesetze zu erläutern oder aufzuheben, 
nur dem Landesfürsten und dem gesetzlich einberufenen Reichstage zusteht. 
Wir können daher eine einseitige Ausübung der gesetzgebenden Gewalt nicht 
als constitutlonell ansehen, gar keine Octroyirung annehmen, und können 
auch nicht anerkennen, daß sanctionirte Gesetze in irgend einem Theile durch 
eine einseitige Gewalt aufgehoben, modifizirt oder vernichtet werden. Daher 
halten wir uns auch an die 18148er Gesetze in ihrer ganzen Ausdehnung, 
und halten dieselben, nachdem sie coustitutionell geschaffen und durch könig- 
liche Bekrästigung feierlich sanctionirt-wurden, als rechtskräftig. Wir er- 
klären, daß wir vor der von dem Gesetz vorgeschriebenen vollständigen 
Ergänzung des Reichstages uns weder in die Creirung von Gesetzen noch 
in eine Verhandlung über das Inauguraldiplom einlassen können. Wir er- 
klären schließlich, daß wir die gegenwärtige Regierung des Landes, insbe- 
sondere das absolutistische Verfahren der nicht verfassungsmäßigen Beamten, 
als gesetzwidrig und als der Ahndung unserer vaterländischen Gesetze ver- 
fallen, die gegen das Gesetz umgelegten und eingeführten direkten und indirek- 
ten Steuern und die Eintreibung derselben mit bewassneter Macht als ver- 
fassungswidrig zu betrachten gezwungen sind. 
„Wir sehen mit Schmerz, daß Eure Maj. durch das allerh. k. Rescript 
jede gegenseitige Verständigung unmöglich gemacht und deren Faden 
definitiv abgerissen hat. Das allerh. k. Rescript steht nicht auf dem Boden 
der ungarischen Verfassung, sondern es stellt das mit absoluter Macht her- 
ausgegebene und mit dem Wesen unserer Verfassung im Widerspruch stehende 
kaiserliche Diplom und Patent als Grundgesetz auf; uns aber binden unsere 
Vaterlandspflicht, unsere Stellung als Repräsentanten und unsere Ueber- 
zeugung fest an die ungarische Versassung, wir können nur auf der Grundlage 
dieser berathen. Diese zwei von einander abweichenden, ja entgegengesetzten 
Richtungen können nicht zur gewünschten Vereinbarung führen. Uns hat 
unsere heiligste Pflicht unsere Richtung vorgeschrieben. und wir dürfen diese 
nicht verlassen. Wir sprechen es daher mit tiefem Bedauern aus, daß in 
Folge des allerh. k. Rescripts auch wir den Faden der reichstäglichen Ver- 
handlungen als abgerissen zu betrachten genöthigt sind. Es ist möglich, daß 
über unfir Vaterland wieder schwere Zeiten kommen werden, aber wir dür- 
fen sie nicht um den Preis übertretener Bürgerpflicht ablösen. Die consti- 
tutionelle Freiheit des Landes ist nicht in der Weise unser Eigenthum, daß
	        
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