Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

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Außerdentsche Länder — Stalien (Rom). 
wahrhaftige Humanität in Sitten, die wahrhaftige Weisheit, die wahrhaf- 
tige Zucht und Ordnung ausgebreitet hat. Da man aber unter dem Namen 
Civilisation ein System bezeichnen will, dessen Zweck ist, die Kirche Christi 
zu schwächen und zu vernichten, so können niemals der römische Stuhl und 
der Papst sich mit dieser Art von Cipilisation vereinigen. Er, der seine 
ganze Kraft aus den Grundsätzen der ewigen Gerechtigkeit zieht, durch wel- 
chen Pact könnte er jemals seine Sache aufgeben, auf daß der heilige 
Glaube geschwächt werde und Italien Gefahr laufe, den Glanz und den 
Ruhm einzubüßen, der seit eilf Jahrhunderten von dem Mittelpunkte und 
dem Sitz der katholischen Wahrheit auf dasselbe zurückstrahlt? Man kann 
nicht einwenden, daß die päpstliche Regierung die Ohren dem Verlangen 
derer verschlossen habe, die den Wunsch nach einer freisinnigeren bürger- 
lichen Verwaltung ausgesprochen haben. Sprechen wir nur, um frühere 
Beispiele beiseite zu lassen, von unserer unglücklichen Zeit. Da, wo Italien 
niemals von seinen rechtmäßigen Fürsten größere Freiheiten erhalten hatte, 
wünschten Wir in Unserer väterlichen Fürsorge für Unsere Kinder eine 
bürgerliche Verwaltung, und haben alle möglichen Zugeständnisse gemacht, 
die nur durch die gewöhnlichsten Gesetze der Klugheit beschränkt waren, 
damit das Geschenk, welches Unser väterliches Herz Unseren Kindern machte, 
nicht durch das Werk der Gottlosen vergiftet werden möge. Aber was ge- 
schah? Ein schrecklicher Aufruhr war das Resultat Unserer Zugeständnise, 
und die Kammern, wo die Minister und die Deputirten sich versammelt, 
wurden von dem durch eine Verruchte Hand vergossenen Blute geröthet. 
Wenn in neuerer Zeit Rathschläge in Betreff der bürgerlichen Verwaltung 
Uns ertheilt wurden, so wisset Ihr wohl, ehrwürdige Brüder, daß Wir sie 
angenommen haben, indem Wir immerhin, was nccht zur bürgerlichen Ver- 
waltung gehörte, sondern Uns zu einer Gutheißung des bereits theilweise 
ausgeführten Raubes zu bestimmen berechnet war, zurückwiesen. Uebrigens 
zu was nützt es, von wohl aufgenommenen Rathschlägen und von aufrich- 
tigen Versprechen sie auszufübren. zu reden, wenn die Urheber dieser Usur- 
pationen laut verkünden, daß, was sie wollen, nicht die Reform, sondern 
die absolute Empörung und die Lostrennung von der rechtmäßigen Herr- 
schaft sei? Aber der Angriff gegen das römische Papstthum erstrebt nicht 
allein, daß der römische Stuhl und der Papst seiner legitimen weltlichen 
Macht entkleidet, sondern auch, daß die heilsame Tugendkraft der katholischen 
Religion geschwächt, und, wenn dies möglich wäre, vollständig unterdrückt 
werde. Und daß sich dies so verhalte, wird sowohl durch die bereits voll- 
kogenen Thatsachen, wie durch die täglichen Vorgänge bestätigt. Wie viele 
isthümer sind in Italien verwaist, zum Wohlgefallen jener Patrone der 
modernen Civilisatlon, welche so viele christliche Bevölkerungen ohne Hirten 
lassen und sich ihrer Güter bemächtigen, um sie zu schlechten Zwecken zu 
verwenden! Wie viele Prälaten schmachten in der Verbannung! Wie viele 
Abtrünnige gibt es (Wir müssen es zu Unserem tiefsten Schmerze hier aus- 
sprechen), welche nicht im Namen Gottes, sondern im Namen des Satans 
sprechen, und auf eine durch ein unglückliches Regierungs-System zuge- 
sicherte Straflosigkeit trotzen, sie beunruhigen die Gewissen, treiben sie 
Schwachen zur Sünde, bestärken diejenigen, welche leider abgefallen sind, in 
diesen unseligen Lehren, und bemühen sich, das Gewand des Christen zu 
zerreißen, die sich jedoch dabei keineswegs scheuen, die sogenannten natio- 
len Kirchen vorzuschlagen und zu empfehlen, so wie noch andere Gottlofig= 
keiten dieser Art! Nachdem sie so die Religion beschimpft haben, welche sie 
auf fleißnerische Weise einladen, sich an der modernen Cidvilisation zu be- 
theillgen, zögern sie nicht, mit der nämlichen Scheinheiligkeit Uns zur Ver- 
söhnung mit Italien zu ermahnen. In dem Augenblicke, wo Wir fast 
Unserer ganzen weltlichen Herrschaft beraubt, das schwere Amt des obersten 
Priesters und des Fürsten nur noch mit Hilfe der frommen Freigebigker
	        
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