Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

Außerdeutsche Känder — Rußland. 251 
nicht bricht, so werde ich mich genöthigt sehen, nach allzu laug bewiesener 
Geduld den Belagerungszustand zu proclamiren, und die weiteren Unglücks- 
fälle werden auf das Haupt der Rasenden zurückfallen“. 
Eine Verordnung des Administrationsrathes trifft zugleich „in Anbetracht, 
daß die sich wiederholenden Massenansammlungen die bffentliche Ruhe 
stören und die freie Entwickelung der von Sr. Majestät allergnädigst ver- 
liehenen Institutionen behindern", auf Anordnung Sr. Moaj. eine Reihe von 
Vorsichtsmaßregeln, die dem Belagerungszustand sehr nahe kommen. 
10. April. Ein Manifest des Kaisers leitet eine Wiederherstellung der 
Verfassung Finnlands ein: 
„Während der sechs Jahre, welche verflossen, seitdem die Fürsehung das 
Geschick des finnländischen Volkes in unsere Hände gelegt, haben Wir Uns 
bei verschiedenen Gelegenheiten von der Nothwendigkeit mehrerer Maßregeln 
in der Gesetzgebung überzeugt, worauf des Landes fortschreitende, sowohl 
geistige wie materielle Entwicklung begründet ist, welche jedoch den Grund- 
gesetzen des Großfürstenthums gemäß nicht ohne Mitwirkung der 
Landstände zu Wege gebracht werden können, — ein Verhältniß, in 
Folge dessen verschiedene Angelegenheiten schon seit der Ver- 
einigung Finnlands mit dem Kaiserthum auf sich beruhen 
geblieben sind. Von dieser Ueberzeugung geleitet, haben Wir in Gna- 
den dem Senat des Großfürstenthums anbefohlen, im Verein mit dem 
General-Gouverneur des Landes Uns die Angelegenheiten von obgenannter 
Beschaffenheit allerunterthänigst namhaft zu machen, deren Bedeutung sie 
berechtigt, vorzugsweise in Behandlung gezogen zu werden. Es würde ge- 
wiß am meisten mit Unseren heißesten Wünschen für das Wohl Unserer 
treuen finnländischen Unterthanen übereinstimmen, nach gehöriger Vorberei- 
tung der obbezeichneten Angelegenheiten sofort die Stände des Landes 
einzuberufen; aber andere höhere Staats-Interessen, welche die schirmende 
Fürsehung uns als die heiligste Pflicht auferlegt hat, erlauben Uns nicht 
im gegenwärtigen Zeitpunkt, dieses den Grundgesetzen Finnlands 
gemäß Uns zukommende Recht auszuüben. Damit indessen alles dasjenige, 
was unter solchen Verhältnissen für das Wohl Finnlands geschehen kann, nicht 
länger aufgehalten werde, haben Wir den Zusammentritt eines Aus- 
schusses von Männern aus den vier Ständen des Landes gestatten wol- 
len, welche das Vertrauen ihrer Mitbürger genießen, so wie durch deren 
freie Wahl ausersehen worden sind, und überlassen Wir es diesen, auf die 
Gesetzesvorschläge einzugehen, welche in Berücksichtigung der wichtigsten 
unter den vorbezeichneten Angelegenheiten auf Unseren Befehl ihnen vorge- 
legt werden sollen, so wie in Unterthänigkeit darüber sich zu äußern, wie 
dieselben auf einer dem Bedürfnisse des Landes meist entsprechenden Weise 
cordnet werden können, bis Wir die Zeitverhältnisse zur Einberufung der 
andstände geeignet befinden, wo dann jene Angelegenheiten ihre vollstän- 
dige Lösung und schließliche Feststellung werden erhalten können“. 
22. „ Erlaß Wielopolski's gegen die Agitation der polnischen Geist- 
lichkeit: 
„Es ist dem Fürst-Statthalter des Königreichs zur Kenntniß gekommen, 
daß seit einiger Zeit manche katholische Geistliche während der öffentlichen 
Functionen in der Kirche, theils vergessend, daß die Caplane ihrem Berufe 
nach die Verbreiter des Friedens und der Einigkeit sein sollen, politische 
Gegenstände berühren und in der Nation offen Haß erwecken, indem fie die 
Empörungen beloben und die zu deren Unterdrückung getroffenen Maßregeln 
tadeln, theils wiederum dem Volke Mißtrauen gegen die Regierung ein- 
impfen und gegen dieselbe aufreizen. Da nun solche Handlungen vom 
Gesetz vorgesehen sind und die Regierung pflichtmäßig die durch das Gesetz
	        
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