Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1861. 293
jede Unterhandlung fruchtlos. Der Papst kann keine durchgreifenden Re-
formen zugestehen, ohne die weltliche Herrschaft in ihrem Princip zu
gefährden. Der italienische Krieg von 1859 machte den Unterhandlungen
ein Ende und führte die Frage auf das Feld der Thatsachen. Der mo-
derne italienische Staat riß ein Stück des Kirchenstaates nach dem andern
an sich und stand jetzt vor dem letzten Rest derselben, der Stadt Rom
selbst, die er als seine natürliche Hauptstadt begehrte. Die Bevölkerung
Roms in ihrer großen Mehrheit war damit einverstanden. Aber auch
auf Rom und sein kleines Gebiet beschränkt, wehrte sich der Papst mit
allen Kräften, die ihm zu Gebote standen. Nicht nur wollte er ganz und
gar nichts davon wissen, Nom dem Könige von Italien auszuliefern oder
mit demselben zu theilen; von der sog. katholischen Partei aller Länder
Europa's unterstützt, gab er vielmehr keinen Augenblick die Hoffnung, ja
die Zuversicht auf, auch die schon verlornen Provinzen eines Tages wieder
zu gewinnen und über alle seine Feinde zu triumphiren. Allen Versuchen
einer Transaction setzte er ebenso einfach wie bestimmt sein non possumus
entgegen. Es scheint kein Ausweg, als daß entweder die weltliche Herr-
schaft des Papstes aufhöre, oder das neue italienische Reich wieder in
Trümmer gehe. Es ist von beiden Seiten ein Kampf um die Existenz selber.
Die Entscheidung lag zunächst in den Händen des Kaisers der Fran-
zosen. Seine Truppen allein hielten den Thron des Papstes noch auf-
recht. Denn an dem Tage, an dem der Kaiser seine Truppen zurückgezogen
hätte, wäre, ohne daß auch nur ein Mann der italienischen Armee die
h. Stadt betreten hätte, die weltliche Herrschaft des Papstes zusammen-
gestürzt, obgleich der eifrige Prokriegsminister desselben, der Belgier
de Mérode, sich seit dem unglücklichen Tage von Castelsidardo große Mühe
gegeben hatte, eine an sich zwar kleine, für das geringe dem h. Stuhle
noch gebliebene Gebiet dagegen unverhältnißmäßig große päpstliche Armee
zusammenzubringen, die er aus aller Herren Länder recrutirte. Was aber
diese Armee nimmer vermocht hätte, gewährte Frankreich. Der Kaiser der
Franzosen war vorerst noch ganz und gar nicht geneigt, seine Truppen
aus Rom zurückzuziehen. Vielmehr machte er sowohl den Wünschen der
Italiener, ihnen Nom auszuliefern, als den Ansprüchen des Papstes, ihm
die geraubten Provinzen wieder zu verschaffen, gegenüber vollkommen taube
Ohren. Napoleon ließ im Gegentheil im Februar auf die Eröffnung der
französischen Kammern hin durch eine neue Broschüre seines Staatspubli-
cisten Laguéronnière aufs neue erklären, der Kaiser lasse seinen Degen in
Rom, da er weder Nom den Italienern noch Italien Nom aufopfern