lebersicht der Ereignisse des Sahres 1861. 297
wie diese und wurden meist selbst von dem allgemeinen Zuge mitgerissen.
Umsonst suchte ein kaiserl. Rescript vom 16. Januar demselben in durch-
aus gemäßigtem Sinne und wohlwollender Form entgegen zu treten, um-
sonst setzte es Maßregeln der Strenge in Aussicht und drohte mit einer
Nichteinberufung des Landtags, den die Ungarn mit allen ihren Wünschen
ersehnten. Der Cardinal-Primas unterstützte zwar, der Aufforderung des
Hofkanzlers Baron Vayentsprechend, durch ein Circularschreiben an alle Comitate
des Landes dies Verlangen des „mit dem Friedenszweige sich uns nahen-
den, vom besten Herzen und den reinsten Absichten beseelten Monarchen“
und beschwor seine Landsleute, sich denselben nicht „erncuert zu entfrem-
den". Das Reseript blieb trotz alledem durchaus erfolglos. Dasselbe
gab der Bewegung im Gegentheil nur neue Nahrung. Das Comitat von
Gran, gerade dasjenige, dem der Cardinal-Primas von Ungarn als erb-
licher Obergespan vorsteht, war das erste, welches beschloß, das Rescript
durch eine offenbar aus der Feder desselben Cardinal-Primas geflossene
Repräsentation oder Adresse an den Kaiser zu beantworten und darin
nicht blos die ganze Reihe der Klagen Ungarns über das Regiment der
letzten zehn Jahre aufzuzählen, sondern auch „offen“ zu erklären, daß das
Patent vom 20. Oktober der pragmatischen Sanction, auf die es sich
Ungarn gegenüber berufe, widerspreche und unumwunden die vollständige
Wiederherstellung der Gesetze von 1848 und eine Amnestie für alle Ver-
urtheilte und Flüchtlinge von 1848 und 1849 zu verlangen. Dassenige
Comitat, dem der erste kirchliche Würdenträger des Landes vorstand, legte
somit das Rescript des Monarchen nicht anders als vorher die In-
struction des Hofkanzlers „mit Achtung bei Seite“. Ein Comitat nach
dem andern folgte dem vom Graner gegebenen Beispiel, alle beantworte-
ten das k. Rescript durch Repräsentationen, alle lehnten, die einen in
mehr gemäßigter, andere aber in ziemlich schneidender Weise das Ver-
langen des Fürsten ab und begehrten die volle Wiederherstellung der Ge-
setze von 1848. Diese Gesetze aber in ihrem vollen Umfange bedeuteten
nichts anderes als Union Ungarns mit Siebenbürgen und Croatien und dagegen
vollkommene Trennung der so geeinigten Krone des hl. Stephan von den
Erblanden, mit denen Ungarn nur durch Personalunion verbunden sein
sollte, während es sein eigenes Ministerium und sein eigenes Heer und
zwar, so lange der Menarch nicht im Lande selbst seinen Wohnsitz nahm,
zudem unter einem halb und halb unabhängigen Palatin gehabt hätte. Die
österreichische Regierung dachte nicht daran, diesem Begehren zu willfahren.
Indeß geschah nichts, um dem keiserlichen Rescript vom 16. Januar