316 Uebersicht der Ertignisse des Fahres 1861.
sicherte“, und am 4. April zum drittenmal Landtagswahlen nach der
Verfassung von 1860 ausschreiben ließ, wählte das ganze Land nur
unter Protest, bestellte die zweite Kammer am 11. Juni nur unter Pretest
ihr Bureau, leistete den Eid am 21. desselben Monats nur unter Protest,
erklärte am 1. Juli einstimmig ihre Incompetenz und beschloß in einer
Adresse an den Landesherrn, diesen um Wiederherstellung der Verfassung
von 1831 zu ersuchen, worauf sie sofort wieder aufgelöst wurde. Ganz
Deutschland nahm Partei für die Sache des biedern Volkes: eine Kam-
mer nach der andern in den verschiedenen Staaten Deutschlands erklärte
sich für die Wiederherstellung der Verfassung ron 1831, das menarchische
Gefühl der Massen gewann sicherlich nichts durch die unerhörten Zustände
des kleinen Landes. Aber der Kurfürst blieb hart und der Bundestag
vorerst noch taub gegen den immer einstimmigern, immer lauteren, immer
dringenderen Ruf der öffentlichen Meinung. Preußen erklärte sich zwar
für die Rechtsbeständigkeit der Verfassung von 1831, hatte aber nicht
den Muth, es vollständig zu thun und wechselte Depeschen mit Oefterreich
über das Wahlgesetz von 1849, in denen dieses nachgerade die Unhalt-
barkeit des durch die Bundesintervention geschaffenen Zustandes in Kur-
hessen zuzugestehen begann, wenn es nur ein Mittel gesunden hätte, den
Kurhessen zu entsprechen, ohne dem Kurfürsten zu nahe zu treken. So
blieb die Wunde noch immer eine offene und die Frage eine ungelöste,
gleich wie die schleswig-holsteinische oder diejenige einer Reform der
Bundesverfassung, obgleich alle Welt, darüber einig war, daß etwas ge-
schehen sollte.
Die Initiative, die Deutschland in Allem, was eine Action in ge-
meinsamen Dingen nicht blos nach Außen, sondern auch nach Innen ver-
langte; so schmerzlich entbehrte und deren Mangel die größte, mit den
reichsten intellectuellen und staatlichen Mitteln ausgerüstete Nation in der
Mitte des europäischen Continentes vollkommen lähente, war dagegen in
Frankreich bis zum Uebermaße ausgebildet und machte dasselbe für einmal
wenigstens wieder zur tonangebenden Nation Europas. Zwar wollten die
Feinde Napoleons fort und fort bei jedem weikeren Schritte der Zeitent-
wicklung den Anfang vom Ende seiner Macht erblicken; und es ist wohl
auch nicht ohne Grund, wenn man nach und nach die Elemente zu er-
kennen meint, die dereinst dem stelzen Gebäude, das ihm auf den Trüm-
mern der Revolution von 1848 zu errichten gelang, den Untergang be-
reiten werden und die öffentliche Meinung Europas wenigstens darüber
ziemlich einig ist, daß Napoleon III. sich einer Täuschung hingibt, wenn