330 Ueberficht der Ereignisse des Sahres 1861.
Octoberdiplom als die Februarverfassung für Ungarn abzulehnen, die
Wiedervereinigung mit Siebenbürgen und eventuell auch mit Croatien
als noch zu Recht bestehend zu verlangen, wollte für die so geeinigte
Krone des h. Stephan eine bloße Personalunion mit den Erbländem
zugestehen und erklärte schließlich, mit diesen letztern über gemeinsame
Angelegenheiten nur „von Fall zu Fall“ berathen zu. wollen. Die Haltung
der Regierung in Wien gegenüber diesen Forderungen konnte nicht zwei-
selhaft sein: entweder mußten sie abgelehnt werden, oder das Ministerium
Schmerling zurücktreten. Von letzterem war vorerst keine Rede; wohl
aber gaben der ungarische Hofkanzler Baron Vay und der ungarische
Minister ohne Portefeuille Graf Szecsen, ihre Entlassung, nachdem diesel-
ben zwar dem Octoberdipleme ihre Zustimmung ertheilt, der erstere aber
der Mitunterzeichnung des Februarpatentes bereits unter dem Vorwande
einer Reise auf seine Güter ausgewichen war. An ihre Stelle traten
zwei andere ungarische Magnaten, Graf Forgach als Hofkanzler und Graf
Moriz Esterhazy als ungar. Minister. Mit ihrer Zustimmung erließ dann
der Kaiser am 21. Juli ein Rescript in Antwort auf die Adresse an den
ungarischen Landtag, in dem er ihm „kund und zu wissen that, daß er
zur Anerkennung derjenigen Artikel der Gesetze von 1848, welche mit der
nöthigen Wahrung der untrennbaren Interessen seines Gesammtreiches und
namentlich mit den Entschließungen vom 20. October 1860 und 26. Fe-
bruar 1861 in offenbarem Widerspruche stehen, sowie er sie bisher über-
haupt nie anerkannt habe, so auch in Zukunft, da er zur Anerkennung
derselben sich persönlich nicht verpflichtet erachte, sich nie bestimmt finden
werde". Der Kaiser verlangte demnach vom ungarischen Landtage vor
allem eine Revision, bezüglich Aufhebung der Gesetze von 1848 und
erklärte schließlich, erst nach erreichter Vereinbarung hierüber zu Berhand-
lungen über das Inauguraldiplom schreiten zu können. Der ungarische
Landtag beschloß, darauf seinerseits nicht eingehen zu können und geneh-
migte, wiederum unter Zustimmung der Magnaten, am 8. Aug. einstim-
mig eine zweite Adresse an den Kaiser, in der er eine Verständigung für
unmöglich und den Faden der Unterhandlungen für abgerissen erklärte. In
Wien wurde numnehr die Auflösung des Landtags beschlossen. Nech bever
aber das diesföllige Decret des Kaisers in Pesth eingetroffen, beschloß der
Landtag einstimmig gegen seine Auflösung feierlich zu protestiren, und die
Rechte des Landes zu wahren, wenn er auch der Gewalt factisch sich nichl
widersetzen könne. Am 21. August erfolgte die feierliche Auflösung. Kaun
war der Landtag aufgelöst, so begannen die Comitate sich wieder zu