Deutschland (ohne Preußen). 77
Herr nur in seiner wahren Kirche niedergelegt hat, gelangen möchten, so
wenig wollen wir uns in die Ordnung der kirchlichen Verhältnisse der An-
dersgläubigen einmischen, da die große religiöse Frage, welche seit 300 Jah-
ren Deutschland bewegt, nur auf dem Wege der unbehinderten Entwicklung
und der freien Ueberzeugung gelöst werden kann. IX. Die Beschuldigung,
daß die katholische Kirche und ihre rechtmäßige Freiheit in Deutschland die
nationale Größe und Einheit, sowie die bürgerliche Freiheit hindere, und
daß wir Katholiken eine der bürgerlichen Freiheit, dem sozialen Fortschritt
feindlich politische Partei seien, bezeichnen wir als eine, sei es aus Vor-
urtheil und Unwissenheit, sei es aus böser Absicht hervorgegangene Un-
wahrheit".
10. Sept. (Bayern.) Die Abg.-Kammer genehmigt die neuen Straf-
gesetzbücher und das Einführungsgesetz zu denselben — das Haupt-
resultat der diesjährigen Landtagssession.
11.9. Volkswirthschaftlicher Congreß in Stuttgart.
17.9. Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Speyer.
17.9. (Württemberg.) Die Abg.-Kammer beschließt mit 80 gegen
1 Stimme die Unabhängigkeit der staatsbürgerlichen Rechte vom
religiösen Bekenntnisse. — Die Regierung legt derselben den Ent-
wurf eines Gesetzes zu Regulirung der Verhältnisse der Staats-
gewalt zur kath. Kirche vor.
21.9. (Hannover.) Enthüllung des Ernst-August -Denkmals in
Hannover. Proclamation des Königs.
22.9. Versammlung der deutschen Forst- und Landwirthe in Schwerin.
24.9. (Hannover.) Die Regierung zeigt den Hansestädten an, daß
sie beschlossen habe, aus Landesmitteln 20 Kanonenboote zu bauen
und dem Bundestage den Antrag zu stellen, es möge das zu Er-
bauende als Bundessache angesehen und demnächst hinsichtlich der
Kosten und sonst als solche behandelt werden, zu. welchem Ende sie
gemeinsame Verabredungen mit den Hansestädten wünscht:
„Die (hannover'sche) Regierung hat keineswegs theilnahmlos den Bestre-
bungen zugesehen, welche sich im deutschen Vaterlande und namentlich in
den Küstenstaaten für Errichtung einer Kanonenboot-Flottille kundgeben.
Schon seit einiger Zeit beschäftigte sie sich mit der Ueberlegung, wie viel
sie aus Landesmitteln für das Unternehmen leisten könne. Als Resultat ist
daraus, vorbehaltlich der ständischen Zustimmung, der Entschluß hervor-
gegangen, 20 Kanonenboote zu bauen und sie gemeinsam mit den Hanse-
städten zur Küstenvertheidigung zu verwenden. Wenn die k. Regierung auf
diese Weise, gleich einigen andern Küstenstaaten, zur Ausführung des Pro-
jekts einer Flottille schreitet, ohne den Ausgang der Verhandlungen abzu-
warten, welche über diese Angelegenheit am Bundestage schweben, so thut
sie es, weil sie die Herstellung des Schutzes für die Nordseeküsten gesichert
und beschleunigt wünscht. Dabei verkennt sie aber keinen Augenblick das
Mißliche, welches darin liegt, jenes Unternehmen außerhalb des Bundes zu
stellen, und sie vermag sich nicht von der Idee zu trennen, daß der Küsten-
schutz ebensowohl eine Angelegenheit und Pflicht des Bundes ist, wie die
Vertheidigung der deutschen Grenzen, und daß die Kosten der zu erbauenden
Flottille von dem ganzen Bunde getragen werden müssen. Diese Auffassung
läßt es ihr auch dringend gerathen erscheinen, das außerhalb des Bundes
begonnene Werk so bald als möglich auf den Bundesboden zurückzuführen,
die Idee, eine deutsche Flotte, basirt auf den Bund, nicht aufzugeben, und