306 Ergänzungen (England).
28. Dec. Depesche Russel's an Lord Cowley in Paris:
„Nichts ist verwickelter oder fruchtbarer an Verlegenheiten, als die schles-
wig-holsteinische Frage, wenn man sie in ihren Einzelheiten untersucht. Es
gibt keine undankbarere Arbeit, als die langen und dunkeln Depeschen zu lesen,
in denen sich der Sinn hinter einer Masse von Worten versteckt. Eine brei-
tere und allgemeinere Auffassung der Frage würde vielleicht zu einer richtige-
ren Würdigung der Thatsachen führen und möglicher Weise einen Faden lie-
fern, mit dessen Hilfe wir aus dem dunkeln Irrgarten ins offene Tageslicht
eintreten könnten. Als das Königreich Dänemark eine unumschränkte
Monarchie war, da war der König, wenn despotisch, doch unparteiisch.
Fand er einen fähigen deutschen Staatsmann in Holstein, so machte er ihn zu
seinem Minister; wenn Dänen und Deutsche in Schleswig haderten, so zeigte
er nicht etwa, daß er dem einen Theile den Vorzug vor dem andern gab.
Aber diese Beziehungen änderten sich vollständig, als freie Institutionen ge-
wählt wurden und die in Kopenhagen vorherrschende Nationalität mit Kraft
und Ausschließlichkeit die ganze Verwaltung der Monarchie durchdrang. Seit
jener Zeit gibt es nichts als Streitigkeiten, Beschwerden, Einmischungen in
die innere Regierung Dänemarks, Protokolle, Abmachungen, die jeder Theil
nach seiner eigenen Weise auslegt, und zuweilen bewaffnete Feindseligkeiten.
Und doch gibt es zwei Principien, die, wenn man sie fest im Auge behält,
den Streit aufhellen und einen Krieg verhindern könnten. Das eine Princip
ist ienes, welches die Unterzeichner des Londoner Vertrags aufgestellt haben:
„daß die Aufrechthaltung der Integrität der dänischen Monarchie, die mit den
Interessen des Gleichgewichts der Macht zusammenhängt, von hoher Wichtigkeit
für die Erhaltung des Friedens ist.“ Das andere Princifp ist ein aus
der Erfahrung der letzten fünfzehn Jahre abgeleitetes Corollar. Es besteht
darin: „daß die deutschen Bewohner der unter dem Scepter des Königs von
Dänemark stehenden Staaten und Lande sowohl durch die eingeführten Insti-
tutionen, wie durch die vom Könige mit Handhabung der Institutionen be-
trauten Männer reichliche Sicherheit für eine gerechte und unparteiische Regie-
rung erhalten sollen.“ Dies scheint der Zweck der deutsch-dänischen Unterhand-
lungen von 1851—1852 gewesen zu sein. Diese Zwecke sind unglücklicher Weise
noch nicht erreicht, aber wenn jene Principien allseitig zugegeben werden, so wäre
doch wenigstens ein Schritt zu einer friedlichen und endgiltigen Lösung gethan."
31. „ Defesche Russels an den englischen Gesandten in Berlin: „Wenn die deutsche
Nationalität in Holstein und einem Theile von Schleswig den Grund für
die Zerstückelung Dänemarks abgeben soll, so wäre die polnische Nationalität
in Posen ein eben so starker Grund für die Zerstückelung Preußens. Die
sicherste Politik für Preußen wäre daher, immer Treu und Redlichkeit zu
üben und seinen vertragsmäßigen Verpflichtungen nachzukommen.“
„ „ Eine Depesche des englischen Gesandten in Wien berichtet, daß auch der
französische Gesandte, der Herzog von Grammont, dem Grafen Rechberg wegen
der Anwesenheit des Prinzen von Augustenburg in Kiel Vor-
stellungen gemacht habe. Graf Rechberg erwiderte, daß Oesterreich und Preußen
genau so wie England und Frankreich dächten und beim Bunde auf seine
Entfernung dringen würden. Auf seine eigene (des englischen Gesandten)
Frage: „Und wenn der Bund den Vorschlägen Wiens und Berlins kein Ge-
hör schenken will?“ habe der Graf Rechberg geantwortet: „Wir müssen den
Prinz mit Gewalt fortschaffen lassen, wenn er einer Aufforderung, die Her-
zogthümer zu verlassen, nicht nachgibt."“