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und im Volksgeiste Unterstützung finden werden. Es ist der Trieb der
Selbsterhaltung, welcher den Regierungen und den Kammern diese Richtung
zeigt, — Oesterreich und Preußen aber sollten nicht bloß um ihrer deutschen
Verbündeten willen einem so gerechten Verlangen entgegenkommen, sondern
auch im eigenen Interesse sich daran erinnern, daß sie es sich selbst und der
Welt schuldig sind, die größten Anstrengungen und Opfer nicht zu scheuen,
um den Bund, der das Centrum Europa's bildet, in lebensfähigem Zu-
stande zu erhalten.
„Was Oesterreich betrifft, so ist es sich über diesen Punkt vollkommen
klar geworden. Die kaiserliche Regierung ist mit festem Willen, wenn auch
mit jener äußersten Vorsicht, die ihren Grundsätzen und Traditionen
entspricht, an die Frage der Ausbildung der Bundesverfassung und besonders
an die schwierige Aufgabe, die gesetzgebende Gewalt des Bundes zu organi-
siren, herangetreten. Sie hat den folgenreichen Schritt, die Vertretungen
der Einzelstaaten zur Theilnahme an den Bundesangelegenheiten zu berufen,
zunächst nur in der Form einer vorübergehenden Maßregel, eines
erst durch die Erfahrung zu bewährenden Versuchs in Vorschlag gebracht.
Erst die Ablehnung ihres Antrags auf eine Delegirtenversammlung ad hoc
hat sie genöthigt, um so entschiedener ihre Mitwirkung zu einer organischen
Reform in Aussicht zu stellen. Seitdem ist Oesterreichs Wort für ein ernstes
Streben nach diesem Ziele verpfändet, und der Kaiser fühlt sich gedrängt,
dieses Versprechen einzulösen. Der Kaiser hat dem eigenen Reiche zeitgemäße
Institutionen verliehen. Er erkennt vollkommen an, daß auch die deutsche
Nation in ihrer Gesammtheit mit Recht eine Neugestaltung ihrer politischen
Verfassung erwartet, und Er hält es als Fürst des Bundes für Pflicht,
Seinen Mitfürsten offen darzulegen, was Er in dieser Beziehung für möglich
hält und für Seinen Theil zu gewähren bereit ist.
II. „Oesterreichs Reorganisationsvorschläge können nur auf
dem mit voller Klarheit und Entschiedenheit festgehaltenen Föderativ=
princip beruhen.
„Manches hat sich in Europa seit 1815 verändert, aber heute wie damals
bietet die durch die Auflösung des deutschen Reiches zur Nothwendigkeit ge-
wordene, durch die europäischen Verträge sanctionirte Bestimmung, daß die
deutschen Staaten unabhängig und durch ein Föderativband vereinigt sein
werden, die einzig mögliche Grundlage für die politische Verfassung Deutsch-
lands dar. Man kann dieser Wahrheit nicht direct oder indirect entgegen
handeln, ohne den festen Boden der Wirklichkeit zu verlieren. Man kann
nicht von den idealen Forderungen oder von Doctrinen, die einem specifischen
Interesse künstlich angepaßt sind, den Maßstab für das Reformwerk ent-
nehmen, ohne die Gegenwart einer ungewissen und von den augenscheinlichsten
Gefahren umringten Zukunft zu opfern. Eine dem Bundesprincip entgegen-
gesetzte Richtung kann man in Deutschlands gemeinsamen Angelegenheiten
nicht einschlagen, ohne bei jedem Schritte auf Warnungszeichen zu stoßen
und am Ende des Wegs an einem Abgrunde anzukommen. Monarchische
Staaten, zwei Großmächte unter ihnen, bilden den deutschen Staatenverein.
Einrichtungen, wie eine einheitliche Spitze oder ein aus directen
Volkswahlen hervorgehendes Parlament, passen nicht für diesen
Verein, sie widerstreben seiner Natur, und wer sie verlangt, will nur dem
Namen nach den Bund, oder das, was man den Bundesstaat genannt hat,
in Wahrheit will er das allmähliche Erlöschen der Lebenskraft der Einzel-
staaten, er will einen Zustand des Uebergangs zu einer künftigen Unification,
er will die Spaltung Deutschlands, ohne welche dieser Uebergang sich nicht
vollziehen kann. Solche Einrichtungen wird Oesterreich nicht vorschlagen.
Wohl aber hält es den Augenblick für gekommen, wo die Sorge für das
Wohl Deutschlands gebieterisch verlangt, daß die Grundlagen, auf welchen
der Bund ursprünglich errichtet wurde, verstärkt und das Föderativprincip