Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

Deutschland. 59 
einem Entgegenkommen von ihrer Seite es wahrlich nicht haben feh- 
len lassen“ und verlangen im Falle von Mißtrauen von Seite der 
Bundesversammlung lieber ihre Entlassung von einem Auftrage, der 
„von gewisser Seite her unausgesetzt die gehässigste und verdächti- 
gendste Kritik erfahre.“ 
11. Febr. (36er Ausschuß). Umlaufschreiben der geschäftsleitenden 
Commission des 36er Ausschusses an die schleswig-holsteinischen Ver- 
eine und Comité's: 
„ .. . Man kann sich zunächst der Wahrnehmung eines wachsenden 
Pessimismus nicht verschließen, welcher Angesichts der heutigen Lage am 
Sieg der nationalen Bewegung verzweifelt., Dieser Pessimismus sagt sich: die 
Bayonette der Großmächte entscheiden in Schleswig und werden in Holstein 
entscheiden; die bundestreuen Regierungen wagen keine Politik, die irgend 
Erfolg verhieße, und denjenigen, die den Muth haben, fehlt es an der aus- 
reichenden Macht; die Resolutionen und Adressen der Bevölkerungen richten 
nichts aus. Wozu hilft es nun, diese wirkungslosen Demonstrationen ins Un- 
endliche fortzusetzen, Gelder zu sammeln, die den Weg aller unserer trüben 
Erfahrungen gehen werden, ein schleswig-holsteinisches Heer auszurüsten, das 
nichts zu thun haben. wird, und eine Freiwilligenbewegung im Fluß zu er- 
halten, die an der Macht der Verhältnisse scheitern, oder im besten Falle über- 
flüssig sein wird? Diese Ansicht breitet sich aus, je mehr die sog. „Macht der 
Thatsachen“ im Norden fortschreitet, Sie recrutirt sich aus allen Schichten, 
saugt ihre Nahrung aus guten uns schlechten Motiven, und man kann sagen, 
daß sie zwei politische Grundbestimmungen repräsentirt: in dem einen Falle 
beginnt und endet sie mit der reinen, trägen, feigen Negation, im andern 
hat sie noch einen Schlußsatz und erblickt in der Zukunft die einzige Rettung — 
die Revolution. Gestatten Sie uns, dieser Ansicht gegenüber unsere eigene 
auszusprechen. Es beruht auf einer seltsamen Verkennung der Thatsachen, 
wenn man glaubt, die Bewegung in Deutschland sei bis heute ohne Er- 
folg gewesen. Im Gegentheil, die Erfolge liegen klar zu Tage, wenn auch 
das Endziel noch lange nicht erreicht ist. Von den deutschen Regierungen, 
welche man die gutgesinnten nennt, weil sie mit mehr oder weniger, die meisten 
allerdings mit höchst unzulänglicher Energie auf die Seite des Rechts und 
der legitimen Erbfolge in den Herzogthümern getreten sind, hat ein guter Theil 
diese Gesinnung erst aus den Kundgebungen der öffentlichen Meinung ge- 
schöpft. Ja Oesterreich und Preußen, diese der nationalen Ehrensache feind- 
lichen, auf ihren principiellen Gegensatz gegen die nationale Strömung po- 
chenden Mächte, sind dennoch von derselben öffentlichen Meinung 
nach Schleswig getrieben worden. Wir stützen uns auf das Zeugniß 
des englischen Ministers, der in der Oberhaussitzung vom 4. Febr. öffentlich 
erklären konnte: „in allen Depeschen der beiden Mächte werde die Vorstellung 
betont, daß, wenn sie nicht nach Schleswig zögen, solch eine 
Aufregung in Deutschlandentstehen und solch ein Freiwilligen-= 
heer nach Holstein aufbrechen würde, daß sie der Gefahr eines 
Bürgerkrieges ausgesetzt wären.“ Und was diese Mächte auch sonst 
noch im Schilde führen mögen, gleichviel mit welchem Programm sie über 
die Eider gegangen sind, — das vergossene Blut und die dem Krieg darge- 
brachten Opfer machen es ihnen von Tag zu Tag schwerer, ihr Programm 
gegenüber dem der Nation zu halten. Die öffentliche Meinung also hat es 
dahin gebracht, daß die Truppen Oesterreichs und Preußens am Danewerk 
und an der Schlei gekämpft und geblutet und ihre Waffenehre eingesetzt haben, 
daß die Schleswiger von Ort zu Ort, von Landschaft zu Landschaft ihren 
Herzog Friedrich proclamiren können: die öffentliche Meinung darf angesichts 
dieser Erfolge in ihrem Streben, vollends bis ans Ziel durchzudringen, nicht 
rasten und nicht ruhen. Man sagt uns von manchen Seiten: auf dem Wege,