Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

Deutschland. 95 
selben den Wünschen der deutschen Regierungen entgegengetreten. Eben so be- 
reitwillig hat die kaiserlich österreichische Regierung zu einer Ausgleichung 
die Hand geboten. Sie mußte nur mit uns auf der Erhaltung der Ein- 
heit des militärischen Oberbefehls bestehen, welche selbstverständlich 
die wesentliche Bedingung jedes Erfolges ist. 
„Als sich nichtsdestoweniger die Verhandlungen in den Ausschüssen in die 
Länge zogen, schien sich in der Besetzung der Jusel Fehmarn noch ein Mittel 
zur wenigstens theilweise praktischen Erfüllung der auf Theilnahme an der 
Aktion gerichteten Wünsche unserer Verbündeten darzubieten, ohne die weit- 
läufige Entwicklung der an den Antrag vom 25. Februar geknüpften Fragen 
abzuwarten. Gerade die dem Angriffe ausgesetzte Lage der Insel und die 
dadurch gegebene Aussicht auf eine wirklich kriegerische Thätigkeit mußte, — 
so glauben wir — unseren Vorschlag den Truppen in Holstein wie den deut- 
schen Regierungen erwünscht erscheinen lassen. Es lag auf der Hand, daß 
ein schleuniger Entschluß hier vor Allem am Platze war; wir durften einen 
solchen um so mehr erwarten, als der Bund schon vor Jahren im Namen 
Holsteins Ansprüche auf diese Insel gemacht hatte, deren Geltendmachung 
durch die vorgeschlagene Maßregeln doch nur hätte erleichtert werden können. 
„Aber auch hier traten wieder Zögerungen, Bedenklichkeiten und Vorfragen 
ein — und auch hier hat es nichts geholfen, daß wir diese Vorfragen über 
Verstärkung der Executionstruppen, in voller Uebereinstimmung mit der kai- 
serlich österreichischen Regierung, durch unsere Zustimmung rasch zu erledigen 
bereit waren. Der General v. Hake hat die vor Wochen erbetene Ermächti- 
gung noch nicht erlangt, und wird sie voraussichtlich nicht erlangen. Angesichts 
dieser, von uns in der That nicht erwarteten Wendung wird es für uns 
Pflicht, die Sache fallen zu lassen und unserem Vorschlage keine 
weitere Folge zu geben. 
„Aber wir haben aus diesem Gange der Dinge auch die traurige Erfah- 
rung schöpfen müssen, welchen Schwierigkeiten wir begegnen würden, wenn 
wir bei einer großen politischen Action uns auf den Bund stützen, oder — 
wie man es hier so vielfach von uns gefordert hat — seinem Impulse folgen 
wollten! Wenn wir nach dem ablehnenden Beschlusse vom 14. Januar nicht 
in Gemeinschaft mit Oesterreich von unserem Rechte selbstständigen Handelns 
Gebrauch gemacht hätten, so wäre die ganze Angelegenheit wahrscheinlich noch 
jetzt nicht über das Stadium theoretischer Discussion hinausgekommen. Und 
wenn es zu einer Conferenz, wie sie jetzt in London versammelt ist, und ja 
auch schon damals vorgeschlagen war, gekommen wäre, welche Stellung hätte 
der Bund und ein Bevollmächtigter des Bundes auf derselben einnehmen können, 
wenn die siegreichen Heere Oesterreichs und Preußens nicht in Schleswig ständen? 
Und wenn wir die Rücksichten und Bedenklichkeiten erwägen, welche selbst die 
Theilnahme an der schon im Gange befindlichen Action verhindert haben, — wie 
können wir da das Vertrauen gewinnen, welches unumgänglich nöthig ist, 
wenn wir unsere Politik mit der des Bundes verschmelzen sollen? Wenn wir 
auch dankbar anerkennen, daß einzelne Regierungen sich in richtiger und patrio- 
tischer Würdigung der gemeinsamen Ziele uns angeschlossen haben, so hat doch 
eine Mehrheit nur selten am Bunde in diesem Sinne erreicht werden können; 
und wir haben es mit Bedauern erfahren müssen, daß wir nicht allein zur Wah- 
rung unserer eigenen, sondern zur Wahrung der anerkannten deutschen Interes- 
sne, wie zum Schutze der deutschen Schifffahrt, auf unsere eigenen und Oesterreichs 
Kräfte angewiesen waren, und daß die geringste von unseren Bundesgenossen 
geforderte Unterstützung in Folge von Mißtrauen und doctrinären Weiterungen 
ausblieb. Die Sache, die wir und Oesterreich gegenwärtig verfechten, hat, 
wir dürfen es sagen, unter dieser unnatürlichen und beklagenswerthen Differenz 
zwischen einer Majorität von Bundesregierungen und den beiden größeren deut- 
schen Mächten noch nicht gelitten. Aber wir müssen, um der Zukunft Deutsch- 
lands willen, dringend wünschen, daß die deutschen Regierungen sich der Er-