Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Preußen und der norddeutsche Bund. 41 
Welt geschehen ist (Heiterkeit), und rufen Sie nicht gegen uns den ohnehin 
aufgeregten Sinn der Nothleidenden auf, und ziehen Sie nicht Dinge hinein, 
die eigentlich gar nicht in die Sache gehören. Lasker gegen: Ich würde 
im „höchsten Grade bedauern, wenn die Ablehnung der Vorlage den Herrn 
Minister-Präsidenten bestimmen sollte, die Arbeit, die er in der nationalen 
Entwicklung begonnen hat, nunmehr liegen zu lassen. Ich kann mir nichts 
Gefährlicheres denken, als wenn die Hand, die so geschickt begonnen, den na- 
tionalen Staat aufzurichten, nun plötzlich von diesem Werke sich abwenden 
sollte. Aber, meine Herren, wenn dieser Fall eintreten sollte, wenn hier schon 
die constitutionelle Praxis zur Regel würde, dann vertraue ich dem Patrio- 
tismus des Herrn Ministers, daß er in kurzer Zeit sich überzeugt haben wird, 
es gehe ohne ihn nicht, und daß er wiederkommt, vielleicht ohne die Vorlage. 
(Heiterkeit.) Von seinen anderen Collegen glaube ich allerdings, die werden 
schwerlich der Ueberzeugung sein, daß der nationale Staat nicht ohne sie auf- 
zurichten wäre, und tritt dieser Erfolg ein, so werde ich nicht bedauern, wenn 
die deutschen Angelegenheiten sich vier Wochen in Verwirrung befinden. (An- 
haltende Heiterkeit.) Bismarck: Ich bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar, 
daß er meinen Patriotismus nicht unterschätzt, aber ich glaube, er überschätzt 
menschliche Kräfte, wenn er annimmt, daß es irgend einer Persönlichkeit möglich 
ist, mit der einer Hand eine Anzahl der bedeutenden Capacitäten des Landes 
abzuwehren, ja, abgesehen von anderen Gründen, die außerhalb dieses Hauses 
liegen, und mit der anderen Hand gelegentlich das Ruder des Staates zu 
führen. Es ist das eine Maschinerie, in deren Friction jede Persönlichkeit 
nach einiger Zeit zu Grunde gehen muß. König Georg glaubt, einen starken 
Anspruch auf die Krone Hannover zu haben, und meiner Ueberzeugung nach 
hat er selbst diesem Anspruche in diesem Abkommen mit vollem Bewußtsein 
entsagt. Er konnte unter anderen Umständen von seinem Gegner Preußen 
gar nichts annehmen; dann wäre er gefährlich; denn ein armer Präten- 
dent ist der geschichtlichen Erfahrung nach gefährlicher, als ein 
reicher, weil dieser nicht das durchsetzt, und ein armer Prätendent mit seiner 
Umgebung, der nichts zu verlieren hatte, hat oft gesiegt. König Georg konnte 
genau das annehmen, über das er vorher disponirt, was er gehabt hatte. 
Ich kann nun nicht mehr annehmen, ohne mir Vorwürfe zu machen, wenn 
ich von meinem Rechte nicht lasse, obschon selbst diese Annahme die Position, 
in der ich stehe, zweifelhaft machen könnte; sobald er aber mehr nahm, als 
ihm zustand, entsagte er seinem Rechte, und dafür mußte er in diesem Mehr 
das Aequivalent annehmen. Der Gedanke eines Geschenkes ist hier unzulässig 
und unmöglich; in einem solchen Verhältnisse gibt und nimmt man nicht 
Geschenke, die einem Ueberflusse des gegenseitigen Wohlwollens entspringen. 
(Heiterkeit.) Es mag von Seiten des Königs Georg und von dessen Umgeb- 
ung gesagt werden, er habe nicht entsagt; das ist vollkommen gleichgültig; es 
kommt nicht darauf an, was König Georg persönlich darüber denkt. Der 
König Georg hatte bei der Wahl, entweder standesgemäß zu leben, oder in 
einer Lage zu sein, die eigentlich Darben gewesen wäre, die Unterschrift ge- 
zeichnet. Er hatte das Letztere gewählt, weil sonst die Ungewißheit der Zeit, 
in welcher er relativ zum Darben genöthigt gewesen wäre, sich vergrößerte; 
er hat gewählt unter dem Drucke der Drohung: wir würden sonst an den 
Landtag gehen und mit diesem verhandeln. In dieser angenehmen Situation 
war die Unterschrift zu erlangen; denn ich glaube, daß das Haus und König 
Georg nicht so rasch, als es wünschenswerth war, sich verständigt haben 
würden. Was über den Rechtsanspruch des Königs Georg vorliegt, so muß 
ich gestehen, diese Frage habe ich mir nie gestellt. Ich habe mich daran ge- 
halten, welche politische Vortheile daraus hervorgingen. Es ist angedeutet 
worden, daß der Herzog von Augustenburg die Verzichtleistung seines Vaters 
aus inneren Gründen des Vertrages nicht anerkannt habe. Nehmen Sie an, 
daß die Entsagung auf den Thron expressis verbis in dem Vertrage stände,