Uchersicht der Ertignisst des Zahrts 1868. 521
man von Frankreich absieht, so steht es doch nach allgemeinem Zu- Dester-
geständnisse ziemlich fest, daß nicht bloß Preußen, sondern auch keine reich.
andere Macht einen solchen Zusammenstoß sucht, während auch in
Frankreich den kriegerischen Gelüsten andere nicht minder schwer-
wiegende Momente gegenüberstehen, wenn es auch im Augerblicke
noch ungewiß ist, ob schließlich diese oder jene das Uebergewicht be-
haupten werde.
Wenn man auf Napoleon III. Laufbahn zurückblickt und da= Frank-
gegen die Stellung erwägt, die er heute in Frankreich und Europa rtich.
gegenüber einnimmt, so wird man kaum umhin können, darin eine
Art tragischen Geschickes zu erkennen, in dem diejenigen, welche in
dem 2. December eine schwere Missethat erblicken, jene Sühne finden
mögen, wie sie allein der Geschichte würdig ist. Die Wiederherstel-
lung des Kaiserreichs war eine Neutralisation der sich in Folge der
Umwälzung von 1848 bekämpfenden Parteien, die in den Einge-
weiden Frankreichs herumwühlten, ohne daß irgend eine derselben
stark genug gewesen wäre und gegründete Aussicht geboten hätte, die
Oberhand zu gewinnen. Louis Napoleon gab dem Lande den Frie-
den, der es binnen zwanzig Jahren materiell zu einer nie geahnten
Blüthe gedeihen ließ. Der Krimkrieg aber zerstörte die durch nichts
gerechtfertigte Präponderanz Nußlands und hob Frankreich und seinen
selbst gewählten Kaiser an die Spitze der europäischen Politik. Der
Ausgang des österreichisch-italienischen Kriegs befestigte diese Stellung
und sicherte ihr die allgemeine Anerkennung, während sie zugleich zu
einer näheren Verbindung der romanischen Staaten mit ihrem natür-
lichen Haupte und Vorkämpfer Frankreich den Grund zu legen
schien, was hinwieder mit der Beschützung des Papstes und des
Papstthums in Rom in engem Zusammenhange stand und in der
Aufrichtung des mexicanischen Kaiserthrons gegen das Vordringen
des angelsächsischen Stamms bereits bis nach Amerika hinübergriff.
Napoleon und das französische Kaiserreich standen im Zenithe ihrer
Macht, als der Kaiser am 4. Nov. 1863 die sämmtlichen Souveräne
Europa's zu einem allgemeinen Congreß nach Paris einlud und am
folgenden Tage in seiner Thronrede bei Eröffnung der großen Staats-
körper rundweg erklärte: die Verträge von 1815, die trotz vielfach
darin gerissener Lücken doch noch immer die Grundlage des gesammten
europäischen Rechtszustandes bildeten, hätten „aufgehört zu existiren“.