68
Preußen und der norddeutsche Bund.
Der Bundesrath lehnt den Beschluß des Reichstags vom 3. d. M.
bez. Redefreiheit der Mitglieder von Landtagen und Kammern
einstimmig ab und beschließt, die betheiligten Bundesregierungen
um Einziehung ihrer Consuln an denjenigen Orten zu ersuchen, an
denen Bundesconsuln angestellt sind.
29. April. (Preußen). Das Obertribunal weist Twestens Nichtigkeits-
beschwerde gegen das letzte Urtheil des Kammergerichts wegen seiner
Rede im Abg.Hause vom 20. Mai 1865 ab.
30.4. (Zollverein). Zollparlament: 57 Mitglieder (Clericale aus
Bayern und Baden und die Württemberger) constituiren sich als
„Süddeutsche Fraction" und wählen den bayerischen Reichsrath
v. Thüngen zu ihrem Präsidenten.
3. Mai. (Preußen: Hannover). Eine kgl. Cabinetsordre sichert den
hannoverschen Flüchtlingen (der Welfenlegion in Frankreich) straf-
freie Rückkehr bis zum 1. Juli d. J. und bestimmt, daß gegen
diejenigen, welche bis dahin nicht zurückgekehrt sein würden, mit der
vollen Strenge des Gesetzes (also mit Anklage auf Hochverrath)
vorgegangen werden solle.
5.5. (Preußen: Hannover),. Die preußische Gesandtschaft in Paris
ertheilt einer ziemlichen Anzahl hannoverscher Legionäre Pässe nach
der Heimat.
7.5. (Zollverein). Zollparlament: Einige badische und hessische
Abgeordnete von der national-liberalen Richtung tragen von 68 Gleich-
gesinnten aus Norddeutschland unterstützt auf den Erlaß einer Adresse
an den König von Preußen an.
Adreßentwurf: „. . . Ew. Maj. bestätigen, wie das Bedürfniß des
deutschen Volkes nach der Freiheit inneren Verkehrs und die Macht des natio-
nalen Gedankens den deutschen Zollverein allmälig über den größten Theil
Deutschlands ausgedehnt hat. Wir leben der Ueberzeugung, daß jenes Be-
dürfniß unserer Nation die Freiheit auf allen Gebieten fördern und
die Macht dieses nationalen Gedankens auch die vollständige Einigung
des ganzen deutschen Vaterlandes in friedlicher und gedeihlicher Weise
herbeiführen wird. Eine naturgemäße Entwickelung hat zur Vertretung der
gesammten deutschen Nation bezüglich ihrer wirthschaftlichen Interessen geführt.
Die seit Jahrzehnten vom deutschen Volke erstrebte und seiner Zeit von
sämmtlichen deutschen Regierungen als unabweisbares Bedürfniß anerkannte
nationale Vertretung für alle Zweige des öffentlichen Lebens kann unserem
Volke auf die Dauer nicht vorenthalten bleiben. Die Liebe zum deutschen
Vaterlande wird die inneren Hindernisse zu beseitigen wissen. Die nationale
Ehre wird das ganze Volk ohne Unterschied der Parteien zusammen führen,
falls von Außen versucht werden sollte, dem Drange des deutschen Volkes
nach größerer politischer Einigung entgegen zu treten.
Gegenanträge: Auf motivirte Tagesordnung: I. Von den Abgg. Herzog
v. Ujest, Frhrn. v. Roggenbach, Dr. Völk und Feustel (unterstützt von den
Freiconservativen und den süddeutschen Nationalen): „Das Zollparlament
wolle beschließen: In Erwägung, daß die Neugestaltung des Zollvereins auf
Grund des Vertrages vom 8. Juli v. J. durch die Berufung der Vertreter