Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Spanien. 
kläglichen Zustand der Finanzen; ein Bankerott scheint unvermeidlich. Trotz 
der Milliarden, welche verschlungen werden, vernachlässigt man die heiligsten 
Pflichten. 3 Milliarden Realen werden jährlich verausgabt! Um das Maß 
voll zu machen, wird das Concubinat der legitimen Ehe eurer Kinder vor- 
gezogen, und dieß, um gewisse Völker nachzuäsfen. Ist dieß nicht eine Schmach 
für unser schönes Spanien? Laßt uns einen solchen Zustand nicht länger er- 
tragen. Nein! Darum zu den Waffen, Spanier! Denn es gibt kein anderes 
Mittel, um unsere Würde und Unabhängigkeit wieder zu erobern und die 
Herrschaft der Gerechtigkeit und des Gesetzes auf immer zu begründen. Zu 
den Waffen also! Die Armee, welche ganz aus unseren Brüdern besteht, wird 
nicht wagen, die Hand gegen uns aufzuheben, um eine fremde Dynastie und 
die Männer, welche am Ruder zu bleiben sie unterstützen, zu vertheidigen. 
Diese Männer wollten euch zum schändlichen Werkzeug ihres Ehrgeizes machen. 
Die friedlichen Einwohner der Städte, was immer ihre politische Meinung 
sei, haben nichts von uns zu fürchten. Unser hochherziger König kennt keine 
anderen Feinde, als diejenigen, welche gegen ihn in den Kampf ziehen; er hat 
weder persönliche Beleidigungen zu rächen, noch hegt er Gefühle des Hasses. 
Sein einziger heißester Wunsch ist: unser unglückliches Vaterland zu retten, 
es von dem Joch, unter dem es seufzt, zu befreien und ihm die wahre, die 
christliche Freiheit wieder zu erobern, welche die Nationen mächtig, glücklich 
und gefürchtet macht! Der Infant von Spanien und Generalissimus Alphons 
von Bourbon und Oesterreich. " 
  
16. Mai. Die Abgeordneten und Senatoren der progressistisch-radicalen Partei 
22. 
beschließen, eine Entscheidung bezüglich eines Austritts ihrer Partei 
aus den Cortes vorerst zu vertagen. 
„ Das Cabinet Sagasta gibt in Folge eines ganz scandalösen „Ver- 
sehens“ seine Entlassung. 
Das Cabinet hatte von den Cortes für ein angebliches Virement von 2 
Mill. Realen Indemnität verlangt, die Anträge des Republikaners Moreno 
Rodriguez und des Radicalen Romero Giron gegen die Bewilligung waren 
verworfen worden und die Annahme der eingebrachten Indemnitätsbill schien 
gesichert. Da kam, entweder einer Aufstachelung der Opposition in die Falle 
gehend oder aus anderen nicht aufgeklärten Ursachen der für die Frage nieder- 
gesetzten Commission ein immenser Aktenstoß als confidentielle Belege aus dem 
Ministerium des Innern zu. Daraus ergab sich dann, daß dieses Geld ge- 
braucht hatte für die Wohloperationen, für die geheime Polizei rc. und da 
seine Casse leer war, sich an die Casse der Colonien, die eine Art von Depo- 
sienlaße ist, gewendet und 2 Mill. Realen (ca. ½ Mill. Frcs.) von ihr ent- 
ehnt hatte. Die Belege nun für die Verwendung der Summe bestanden aus 
einer ganzen Reihe von Berichten von Polizei -Agenten, die da beweisen, bis 
zu welchem Grade sich die Polizei über die Regierung, die sich ihrer bedient, 
lustig machen kann. So ist z. B. bekannt, daß die republikanische Partei 
jede Theilnahme an der carlistischen Bewegung abgelehnt hat; ihre Führer, 
die HH. Piy Margall, Figueras und Castelar, haben eigens eine Proklamation 
in diesem Sinn erlassen. Die Polizei berichtete dagegen: die Republikaner 
hätten eine Berathung gehalten, in der Hr. Castelar gleich damit begonnen habe, 
die Plünderung der Bank zu beantragen, und in der man nur noch darüber 
gestritten, ob man nur das Geld oder auch die Barren wegnehmen solle. 
Auf der andern Seite sollte sich Hr. Zorilla, der frühere Premier des Königs 
Amadeo, in eine Verschwörung mit den Häuptern der Internationale einge- 
lassen haben, die darauf abzielte, alle Fabriken von Catalonien in Brand zu 
stecken. Ein dritter Polizei-Agent erzählt von einer Zusammenkunft der ra- 
dicalen und republikanischen Parteiführer bei der Gräfin Montijo, der Mutter 
der Kaiserin Eugenie, wo es sich um die Mittel und Wege handelte, den
	        
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