Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 131
Die Debatte ist im Grunde lediglich eine Reihe von Monologen der
clericalen Führer, da von Seite der Liberalen und der regierungsfreundlichen
Conservativen an derselben kein Theil genommen wird. Dagegen sprechen
sich jene schließlich noch einmal mit der größten Heftigkeit aus. Mallinck-
rodt greift die Rede Bismarcks im Herrenhause an und ergeht sich in leiden-
schaftlichen Aeußerungen gegen den Reichskanzler, worin er indeß vom Frhrn.
v. Schorlemer-Alst noch übertroffen wird: Es ist auf das als von der
herrschsüchtigen Priesterpartei als Drohung ausgesprochene Wort: Ihr wollt
den Krieg, ihr sollt ihn haben! hingedeutet worden. Aber es beruht das
auf einer Verwechslung oder einer „volte“, um mit dem Fürsten Bismarck
zu reden. Dieses Wort ist vom Abgeordneten Windthorst (Meppen) gebraucht
worden, der doch kein Priester ist und mit dem Kriege nur den parlamenta-
rischen Krieg gemeint hat. Aber das constatire ich, daß das Wort Bürger-
krieg zum ersten Male vor der Landesvertretung vom Fürsten Bismarck im
Herrenhause gelassen ausgesprochen wurde. Nun, wenn man die Katholiken,
die noch nie den Boden der Gesetzlichkeit verlassen haben, so vor dem ganzen
Lande als Staatsfeinde hinstellt, so heißt das theoretisch den Bürgerkrieg
provociren. (Große Unruhe links.) Als der Fürst, damalige Herr v. Bis-
marck in der Zeit des Conflicts, wo er seine Theorien von Blut und Eisen
entwickelte, den famosen Ausspruch that, es gäbe zu viele catilinarische Exi-
stenzen im Staate, da bezeichnete er mit diesem Namen die Liberalen, wäh-
rend er heute die Mitglieder der Centrumsfraction darunter versteht. Wir
meinen, es gibt vorzugsweise nur eine catilinarische Existenz im Staate
(Ruf: Wer ist das? Große Unruhe.) Machen Sie immerhin diese draconi-
schen Gesetze, aber das sage ich Ihnen, sie werden niemals ausgeführt werden
und wir werden uns ihnen niemals beugen! (Beifall im Centrum, Zischen
links.) Cultusminister Dr. Falk: Der Vorredner schloß mit dem Worte:
„Diese Gesetze werden nie ausgeführt werden; wir werden uns diesen Gesetzen
nie beugen." Nun, die Staatsregierung wird die gesetzlichen Mittel, die ihr
bisher die Gesetze gewährten, und diejenigen gesetzlichen Mittel, die ihr die
jetzt zu schaffenden Gesetze gewähren, und wenn diese nicht ausreichen sollten,
auch Mittel, die ihr andere Gesetze gewähren, anwenden, um ihre Gesetze
thatsächlich zur Ausführung zu bringen. Aber ich denke, es wird nicht
nöthig sein, und diese Hoffnung habe ich im Hinblick auf die eigenen Worte
des Vorredners. Wenn er nicht diejenigen Vorwürfe, die er, wie mir scheint,
ohne Grund auf einen Abwesenden warf, mit Grund auf sich selbst häufen
will, wird er in Zukunft eingedenk sein müssen der Worte: Wir sind die
gesetzlichste Fraction. Windthorst-Meppen: Ich bin nicht zweifelhaft
darüber, daß die Staatsregierung alle Mittel, welche ihr diese Gesetze schaffen
und die ihr andere Gesetze gewähren, anwenden wird, um ihre Intentionen,
die genugsam characterisirt worden sind, zur Ausführung zu bringen. Die
Stellung, welche wir dagegen zu nehmen haben, ist unzweifelhaft gegeben.
Wir werden niemals irgend etwas Ungesetzliches thun (Heiterkeit links), um
diesen Intentionen entgegenzutreten. An dem Tage, wo die Katholiken sich
verführen ließen, irgendwie die Gesetze zu übertreten, würden sie den Sieg,
der schon sehr nahe ist (Große Heiterkeit links. Sehr wahr! im Centrum)
— meine Herren, ich sage, der schon sehr nahe ist, weil es anfängt in den
Geistern zu dämmern (Heiterkeit links), — auf das alleräußerste und aller-
bedenklichste gefährden. Ich kenne auf der Gegenseite Männer, die nichts
sehnlicher wünschen, als daß die Katholiken irgend welche ungesetzlichen Mittel
ergriffen. (Sehr richtig' im Centrum.) Aber es giebt einen durchaus be-
rechtigten passiven Widerstand. (Heiterkeit.) Diesen müssen, diesen werden,
diesen wollen wir üben, und an diesem passiven Widerstande wird früher
oder später Alles das zerschellen, was in diesen Gesetzen beabsichtigt wird.
Gebe Gott, daß das Vaterland keinen Schaden leide. (Bravo im Centrum.)
Reichensperger (Coblenz): Von dem Pflicht= und Standesgefühl des katholi-
9*