Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
chem seit Constantin dem Großen die christlichen Völker in den verschiedenen 
Staaten das Verhältniß zwischen Staat und Kirche geordnet sahen, — das 
Princip, welches im Staat und in der Kirche zwei verschiedene, von Gott 
eingesetzte Gewalten anerkennt, die bei der mannigfaltigen Berührung und 
Verschlingung der Verhältnisse in Bezug auf die Regulirung der Grenzen 
ihrer Befugnisse darauf angewiesen sind, nicht einseitig vorzugehen und eigen- 
mächtig die Grenzen und Schranken zu setzen, sondern über die zu treffenden 
Anordnungen und Bestimmungen sich zuvor friedlich zu verständigen. Die 
Kirche kann das Princip des heidnischen Staates: daß die Staatsgesetze die 
letzte Quelle alles Rechtes seien, und die Kirche nur die Rechte besitze, welche 
die Gesetzgebung und die Verfassung des Staates ihr verleiht, nicht aner- 
kennen, ohne die Gottheit Christi und die Göttlichkeit seiner Lehre und Stif- 
tung zu leugnen, ohne das Christenthum selbst von der Willkür der Men- 
schen abhängig zu machen. Eine Anerkennung dieser Gesetze wäre daher eine 
Verwerfung des göttlichen Ursprungs des Christenthums, weil sie das unbe- 
dingte Recht des Staates einräumen würde, das ganze Gebiet des christlichen 
Lebens durch Gesetze zu bestimmen. Eine solche Anerkennung wäre aber 
auch ein Verzicht auf alle anderen historischen und positiven Rechte der 
Kirche in Preußen, weil die Gesetzgebung als einzige Quelle des Rechtes sie 
alle ohne Ausnahme nach Gutdünken einseitig in Zukunft aufheben könnte. 
Auch denjenigen einzelnen Bestimmungen der gedachten Gesetze, welche von 
der Kirche an verschiedene Staaten kraft eines Uebereinkommens derselben 
mit dem Apostolischen Stuhle zugestanden sind, vermögen wir aus diesem 
Grunde nicht Folge zu geben: sonst würden wir die Competenz 
des Staates, über kirchliche Dinge einseitig zu verfügen, aner- 
ennen.“ 
Die offiz. Prov.-Corr. äußert sich über diese bischöfliche Erklärung, 
namentlich über den letzten Passus, der den Kern der Frage bloß 
legt, warnend dahin: 
Es gehe hieraus klar hervor, daß es sich bei der Auflehnung der Bischöfe 
gegen die Staatsgesetze keineswegs bloß um den Widerstand gegen Zumuthun- 
gen handelt, welche an und für sich dem katholischen Gewissen zuwider wären; 
es handele sich vielmehr ausgesprochenermaßen um die grundsätzliche  Be- 
kämpfung der Souveränetät der staatlichen Gesetzgebung der 
Kirche gegenüber, und zwar auch da, wo diese Gesetzgebung das 
innere Gebiet der Kirche nicht verletzt. „Die Bischöfe selbst werden 
gewiß nicht wähnen, daß eine Regierung, welche sich der Größe und Trag- 
weite dieser Aufgabe vom ersten Augenblick vollkommen bewußt war, eine 
Regierung, welche auf allen anderen Gebieten der Staatsverwaltung und der 
Politik dasjenige, was sie für nothwendig und heilsam erkannt hatte, mit 
Festigkeit und Stetigkeit durchzuführen gewußt hat, daß eine solche Regie- 
rung in dem Augenblicke, wo sie endlich die gesetzlichen Machtmittel erhalten 
hat, um jenem staatsseindlichen Anspruche wirksam zu begegnen, vor einer 
trotzigen Erneuerung desselben erschrecken oder innehalten sollte! Die Bischöfe 
können nicht erwarten, daß ihrer Verwahrung und Auflehnung noch irgend 
eine Erwiderung seitens der Staatsregierung zu Theil werde. Nicht um 
weitere Erörterungen kann es sich jetzt noch handeln, sondern nur um ruhiges 
entschiedenes Handeln, um die allseitig feste, sichere und durchgreifende Aus- 
führung und Handhabung der neuen Gesetze. Die Vorbereitungen dazu sind 
unmittelbar nach dem Erlaß der Gesetze in allen Beziehungen getroffen; die 
Provinzialbehörden sind überall bereits mit vorläufigen Anweisungen ver- 
sehen, um die Bestimmungen der Gesetze alsbald wirksam in Vollzug zu 
setzen. Bei den getroffenen Anordnungen ist, abgesehen von den Verpflich- 
tungen, welche den geistlichen Oberen durch die Gesetze selbst auferlegt werden, 
ausdrücklich Vorsorge getroffen, daß auch in Betreff derjenigen Bestimmungen, 
 

	        
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