Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

144 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Conferenz nach Berlin ein, in der ausgesprochenen Absicht, den kirchen- 
politischen Gesetzen wirksamer, als es in der Vereinzelung bisher ge- 
schehen konnte, auch von dieser Seite her Opposition zu machen. 
3.—4. Juni. (Deutschland.) Eine Delegirten-Conferenz sämmtlicher 
altkatholischer Gemeinden und Vereine Deutschlands in Köln wählt 
den Breslauer Professor der Theologie, Dr. Joseph Hubert Reinkens 
nahezu einstimmig zum deutschen Missionsbischof und genehmigt den 
Entwurf einer altkath. Kirchenverfassung („provisorische Bestimmungen 
über die kirchlichen Verhältnisse der Altkatholiken des deutschen Reichs"). 
Derselbe enthält im wesentlichen kurz folgende Bestimmungen: Der Bischof 
wird die staatliche Anerkennung der deutschen Regierungen, zuerst der preußi- 
schen, nachsuchen und sich zur Ablegung des ihm abverlangten Eides bereit 
erklären; so lange ihm diese staatsgesetzliche Anerkennung in einem Lande 
fehlt, wird er sich in diesem Lande auf sacramentale und liturgische Acte 
beschränken. In der Leitung des altkatholischen kirchlichen Gemeinwesens 
stehen dem Bischof 4 Geistliche und 5 Laien zur Seite, die von der alljähr- 
lich zu berufenden Synode (für diesmal von der Wahlversammlung am 
4. Juni) gewählt werden. Diese „Synodal-Repräsentanz“ soll mit Berück- 
sichtigung des früheren ausführlicheren Entwurfs und der dazu eingereichten 
Amendements eine Synodal= und Gemeinde-Ordnung ausarbeiten, welche dem 
Congreß im September d. Js. und der ersten Synode vorgelegt wird. Die- 
selbe soll folgende Mitglieder zählen: Bischof und Synodal-Repräsentanz, 
alle Geistliche, Delegirte der Gemeinden, durchschnittlich einer auf je 200 
selbständige Männer. Zu Mitgliedern der altkatholischen  Synodalrepräsen- 
tanz“, welche dem Bischof als Rath zur Seite stehen soll, werden von der 
Delegirten-Versammlung gewählt die Professoren Reusch, Knoodt und Schulte 
aus Bonn, Appellationsgerichtsrath Rottels aus Köln und Sanitätsrath 
Dr Hasenclever aus Düsseldorf, welche als außerordentliche Mitglieder die 
Professoren Michelis aus Braunsberg, Friedrich und Cornelius in München 
und Windscheid in Heidelberg cooptiren. 
4. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: Auf der Tagesordnung steht die 
zweite Lesung des aus der eigenen Initiative des Reichstags hervor- 
gegangenen Gesetzentwurfs betr. Einführung der Civilehe. Der Reichs- 
tag ist aber nicht beschlußfähig, wie schon am Tage vorher auch. 
Derselbe befindet sich in wahrhaft bedenklicher Lage: Präsident Simson 
versendet an die Fehlenden über 100 telegr. Depeschen, von denen 
jedoch kaum 30 von Erfolg sind. Die Ermüdung ist unter den Mit- 
gliedern aller Fractionen eine geradezu überwältigende. 
„ Der Schah von Persien besucht auch den kaiserlichen Hof von 
Berlin. Seine Anwesenheit wird wie überall in Europa durch eine 
Reihe glänzender Festlichkeiten gefeiert, dergleichen sich für den halb- 
barbarischen Fürsten wohl von Seite der Höfe von St. Petersburg 
und London, kaum aber anderer rechtfertigen lassen. 
5. „ (Deutsches Reich.) Der dem Bundesrath vorgelegte preußische 
Entwurf eines Reichspreßgesetzes findet in der deutschen Presse eine 
fast allgemeine Verurtheilung. Die sämmtlichen Berliner Blätter (mit 
Ausnahme der offiziösen und der Kreuzztg.) erlassen gegen denselben 
und namentlich gegen den famosen § 20 eine energische Erklärung,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.