Das deutsche Reich und seine einzeinen Glieder. 147
und kämpfende Seite des Papstthums in den Vordergrund stelle, wenn man
überhaupt Versöhnung will. Aber unsere Aufgabe ist es nicht, uns mit
diesen Dingen zu beschäftigen. Unsere Aufgabe kann es nur sein: wenn
uns gemeldet wird, daß eine Papstwahl vollzogen sei, unsererseits zu prüfen,
ob sie unserer Ueberzeugung nach vollständig legitim vollzogen sei, so
daß der Gewählte nach unserer Ansicht berechtigt ist, in Deutschland die-
jenigen Rechte zu üben, die einem legalen Papst ohne Zweifel beiwohnen.
(Lebhafter Beifall von fast allen Seiten des Hauses. Ohol im Centrum.)
Die ultramontanen Blätter erheben sofort einen gewaltigen Lärm darüber,
daß sich die Regierung des deutschen Reichs oder Preußens herausnehme, die
Gesetzlichkeit einer Papstwahl auch nur prüfen zu wollen.
9. Juni. (Deutsches Reich.) Bundesrath: von der preußischen Regie-
rung wird demselben der Entwurf für ein Gesetz betr. die Ausgabe
von Reichspapiergeld und die Einziehung des Papiergeldes sämmtlicher
Einzelstaaten vorgelegt.
10. „ (Deutsches Reich.) Die Regierungen der Einzelstaaten beginnen
den Beschluß des Bundesrathes betr. Aufhebung der Niederlassungen
der den Jesuiten verwandten Orden und Congregationen, der Redemp-
toristen etc., in Ausübung zu bringen.
11. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: erledigt den größeren Theil des
Budgets für 1874. — Der ultramontane Abg. Windthorst trägt
auf Abschaffung der Zeitungssteuer an.
13. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: nimmt fast einstimmig die An-
träge Schulze's betr. die rechtzeitige Einbringung des Berathungsma-
terials und Abstellung des gleichzeitigen Tagens des Reichstags und
einzelner Landesvertretungen und Lasker's betr. Verlegung des Zu-
sammentritts des Reichstags auf den November an.
Der Reichskanzler unterstützt den letzteren Antrag Lasker's lebhaft und
bemerkt dabei, daß nach seiner Ansicht die Diäten mit der Beschlußfähigkeit
des Reichstags nichts zu thun hätten und daß der Beschlußunfähigkeit am
besten und nach dem Beispiel Englands ohne alle Gefahr durch Herabsetzung
der Beschlußfähigkeitszahl abgeholfen würde.
14. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt in 3. Lesung den Antrag
auf Herstellung eines Reichseisenbahnamtes nach einer neuen von Lasker
formulirten Fassung:
§ 1. Unter dem Namen „Reichs-Eisenbahn-Amt“ wird eine ständige
Centralbehörde eingerichtet, welche aus einem Vorsitzenden und der erforder-
lichen Zahl von Räthen besteht und ihren Sitz in Berlin hat. Auch können
nach Maßgabe des Bedürfnisses Reichs-Eisenbahn-Commissare bestellt werden,
welche vom Reichs-Eisenbahn-Amt ihre Instruction empfangen. § 2. Der
Vorsitzende und die Mitglieder des Reichs-Eisenbahn-Amtes, sowie die Reichs-
Eisenbahn-Commissare werden vom Kaiser, die Subaltern= und Unterbeamten
werden vom Reichskanzler ernannt. Auf den Vorsitzenden finden die Vor-
schriften des § 25 des Gesetzes, betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten
vom 31. März 1873, Anwendung. Personen, welche bei der Verwaltung
einer deutschen Eisenbahn betheiligt sind, können keinerlei Thätigkeit bei dem
Reichs-Eisenbahn-Amt oder als Reichs-Eisenbahn-Commissare ausüben. § 3.
Vorbehaltlich der Bestimmung im § 5 Nr. 4 führt das Reichs- Eisenbahn-
Amt seine Geschäfte unter Verantwortlichkeit und nach den Anweisungen des
Reichskanzlers. § 4. Das Reichs-Eisenbahn-Amt hat innerhalb der durch
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