Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 149
Das Reich gibt 120 Millionen Mark Reichspapiergeld aus, einen Thaler
für jeden Kopf der Bevölkerung. Die Abschnitte sind 5, 25 und 50 Mark.
Bis zum 1. Juli 1875 wird alles Staatspapiergeld eingezogen. Neues darf
ohne Reichsgesetz nicht wieder geschaffen werden. Die Reichskassenscheine wer-
den von allen öffentlichen Kassen Deutschlands angenommen; im Privatverkehr
dagegen kann die Annahme verweigert werden. Sie werden jeder Zeit von
der Reichshauptkasse auf Verlangen gegen baares Geld eingelöst. Diese 120
Millionen werden nach der Bevölkerungsziffer unter die Bundesstaaten ver-
theilt. Diejenigen Staaten, welche kein Papiergeld haben, erhalten ihre volle
Quote sofort, diejenigen, welche Papiergeld haben, müssen zunächst für die
empfangenen Reichsscheine den gleichen Betrag an Landesscheinen einziehen
und abliefern. Uebersteigt ihr Papierumlauf nicht den Betrag von drei Mark
per Kopf, so ist damit die Sace in Ordnung. Wenn aber mehr Landes-
papiergeld ausgegeben ist, als durch die Kopfquote an Reichspapiergeld ge-
tilgt werden kann, so tritt folgendes Verfahren ein. Die Hälfte des über-
schießenden Betrages hat der betreffende Staat aus eigenen Mitteln bis zum
1. Juli 1875 einzulösen. Für die andere Hälfte erhält er zum Behufe
gleicher Einlösung vom Reiche die erforderliche Summe unverzinslich in
Reichskassenscheinen, deren Betrag zu dem Ende vorübergehend vermehrt wird,
vorgeschossen; er muß den Vorschuß in zehn Jahren zurückerstatten, und die
Reichskasse muß ebenso viel Reichsscheine tilgen. Der normale Zustand wird
mithin erst nach Ablauf dieser zehn Jahre eintreten, ungefähr im Jahre
1885. Alsdann wird es 40 Millionen Thaler Papiergeld in Deutschland
geben gegen 67 Millionen, welche gegenwärtig existiren. Sofort, d. h. im
Jahre 1875, wird erreicht, daß an die Stelle der mannigfaltigen, nur bis
an die Landesgrenzen gültigen Landesscheine ein einziges deutsches Werth-
zeichen tritt, gültig von Memel bis Metz, von Constanz bis Hadersleben.
Die sofortige Verminderung des Papierumlaufs wird sich freilich nur auf
etwa acht bis neun Millionen Thaler belaufen, aber sie wird von Jahr zu
Jahr sich fortsetzen, bis nach einem Jahrzehnt das gesetzliche Niveau erreicht ist.
15. Juni. (Bayern.) Bei den Wahlen zur Generalsynode der Pfalz unter-
liegen die Orthodoxen und fallen jene in ihrer entschieden über-
wiegenden Mehrheit gemäßigt rationalistisch aus: die streng orthodoxe
Rechte zählt nur 10 —12, die Mittelpartei 14— 16, die Linke da-
gegen allein 37—38 Mitglieder.
16. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: beschließt die Einführung des
norddeutschen Genossenschaftsgesetzes auch in Bayern und behandelt einen
Gesetzesentwurf über Einführung der Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen
mit dem 1. Januar 1874. Den Scheinoptanten, denen die Regie-
rungsvorlage das Wahlrecht bis zu einer förmlichen Erklärung ent-
ziehen will, wird dasselbe zugestanden, dagegen werden die Anträge
der clericalen Windthorst und Reichensperger abgelehnt.
Der § 6 der Vorlage lautet: Das Wahlgesetz für den Deutschen Reichs-
tag vom 31. Mai 1869 tritt in der dem Gesetz vom 16. April 1871 ent-
sprechenden Fassung in Elsaß-Lothringen am 1. Januar 1874 in Kraft.
Die in § 6 des Wahlgesetzes vorgesehene Abgrenzung der Wahlkreise erfolgt
bis zu der vorbehaltenen reichsgesetzlichen Bestimmung durch Beschluß des
Bundesraths. Für Elsaß-Lothringer, welche sich für die französische Natio-
nalität erklärt haben, aber nicht ausgewandert sind, ruht die Berechtigung
zum Wählen und zur Wählbarkeit so lang, als sie jene Erklärung vor der
zuständigen Behörde nicht ausdrücklich zurückgenommen haben. Hiezu bean-
tragt Petersen den dritten Satz zu streichen. Dieses Amendement wird