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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
dabei um die Lösung so vieler verwickelter Fragen handeln, daß wir ohne
die Anwesenheit sach= und landeskundiger Männer in unserer Mitte sie gar
nicht bewältigen können. Verwerfen Sie also den § 8, wie ihn Hr. Reichen-
sperger vorschlägt, und warten Sie die elsässischen Reichstagsabgeordneten ab,
ehe Sie eine definitive Entscheidung treffen. Auch der § 9 des Hrn. Reichen-
sperger ist meines Erachtens unannehmbar. Die staatliche Gesetzgebung wird
im Elsaß viel mehr in Anspruch genommen, als in andern deutschen Staaten;
ihre Genehmigung ist z. B. nothwendig bei jedem Anlehen einer größen
Gemeinde. Deßhalb kann nicht jedesmal der Reichstag einberufen werden,
und wenn er es würde, so könnte er nicht einmal eine sachgemäße Entschei-
dung treffen. Wir müssen das Vertrauen zu der Regierung haben, daß sie
nur in dringenden Fällen von der Octroyirungsgewalt Gebrauch machen
wird; ich meinestheils habe dieses Vertrauen. Miquel: Der directe Hinweis
auf eine zukünftige Landesverfassung des Reichslandes ist direct fehlerhaft.
Er würde nach zwei Seiten hin Präjudicien schaffen. Wir können erstlich
noch gar nicht wissen, ob Elsaß-Lothringen später nicht vorzieht, in irgend
einen Bundesstaat, zum Beispiel in Preußen oder Baden, einverleibt zu
werden, oder eine modificirte Stellung einzunehmen wünscht, wie sie z. B.
weder ganz der Lage einer preußischen Provinz, noch der eines Bundesstaats
entspricht. Andererseits ist aber auch dadurch der Reichstag gebunden, die
gesetzliche Regelung der elsässischen Verfassung in die Hand zu nehmen, selbst
wenn er das Unzweckmäßige des Zeitpunkts einsieht. Auch der zweite Theil
des Reichenspergerschen Amendements ist unpraktisch. Der Bundesrath wird
mit seiner Octroyirungsbefugniß gewiß um so vorsichtiger sein, als die Ge-
fahr einer Cassation seiner Verordnungen durch den Reichstag ihn veranlassen
wird, nur in einem wirklichen Nothstande solche zu erlassen. Ich habe auch
in Elsaß-Lothringen die Erfahrung gemacht, daß dort über die vorliegende
Frage selbst unter den gebildeten Ständen entweder gar keine oder höchst
abweichende Meinungen herrschen. Was man dort allgemein lobt, ist die
deutsche Justiz; was man dort allgemein tadelt, ist die preußische Landraths-
verwaltung, die unzweckmäßige Größe der Kreise und die Kühlwetter`sche
Institution der Bezirkscommissarien, welche sich so wenig wie in Posen be-
währt haben. Gegen die Befugniß des Bundesraths zur Erlassung von Ver-
ordnungen wird nicht der geringste Widerwille empfunden. Ich bitte daher
um unveränderte Annahme des § 8 der Regierungsvorlage. Die Amendements
Reichensperger und Windthorst werden abgelehnt (für ersteres stimmt
nur das Centrum, für das zweite außerdem die Fortschrittspartei).
Die Tagesordnung für die nächste Sitzung, für welche Präsident
Simson das von Windborst (clerical) vorgeschlagene Nothpreßgesetz,
d. i. die einfache Abschaffung der Zeitungssteuer beantragt, gibt zu
einer sehr ärgerlichen Scene Anlaß,
indem sich Fürst Bismarck darüber beklagt, daß bei den Vereinbarungen
zwischen der Regierung und den Vertrauensmännern der verschiedenen Frac-
tionen über den Schluß des Reichstags und die bis dahin noch zu erledi-
genden Materien die Regierung ihrerseits auf die Berathung des Militär-
gesetzes, der Reichstag dagegen auf diejenige des Preßgesetzes, des Civilehe-
gesetzes etc. verzichtet habe, und daß er nur auf Grund dieser Vereinbarung
die Zustimmung des Kaisers zu der Nichtberathung des Militärgesetzes er-
langt habe. Lasker: Ich muß den Vorwurf zurückweisen, als ob der Reichs-
tag im Stande gewesen, noch mehr Gegenstände zu erledigen. Noch heute
befindet sich das Haus nicht im Besitze des Gesetzes über den Abschluß der
1½ Milliarden, welches erforderlich ist, um die Etatsberathung zu beendigen.
Das Servisgesetz, der Abschluß des Etats von 1872, zwei Gesetze, welche die
schwierigsten Berathungen nothwendig machen, sind uns erst am Ende vori-
gen Monats zugegangen. Wir wären längst fertig, wenn uns die Gesetze,