Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 163 
München beschließen mit großer Mehrheit die vorläufige Errichtung 
von zwei Simultanschulen. Die geistlichen Mitglieder der Local-Schul- 
commission setzen dem Beschluß einen leidenschaftlichen Widerstand ent- 
gegen, die protestantischen fast noch mehr als die katholischen. Der 
Beschluß der Gemeindebehörden wird jedoch trotzdem von der Regie- 
rung bestätigt. 
17. Juli. (Preußen.) Der Bericht der Eisenbahn-Spezial-Untersuchungs- 
commission wird dem Kaiser überreicht. Das Resultat der Unter- 
suchung hat die Enthüllungen Lasker's und die Nothwendigkeit einer 
anderen Ordnung des Eisenbahnconcessionswesens durchaus bestätigt. 
18. „ (Preußen.) Der Fürstbischof von Breslau erläßt an sämmtliche 
Erzpriester und Pfarrer seiner Diöcese die Weisung, daß sie jede sei- 
tens der Landrathsämter an sie gelangende Aufforderung, auf Grund 
der Maigesetze über Anstellung etc. von Geistlichen Auskunft zu geben, 
in angemessener Form abzulehnen hätten. Einzelne Geistliche hatten 
bisher, theilweise allerdings unter Protest, dießbezügliche Auskunft 
ertheilt. 
Der Cultminister läßt dem Fürstbischof ein Rescript in der An- 
gelegenheit des zu den Altkatholiken übergegangenen Domherrn v. Richt- 
hofen zugehen, 
das die Verfügung trifft, daß trotz der Excommunication des Fürstbischofs 
der Domherr nicht nur im Besitz der Wohnung und im Genusse des vollen 
Gehalts verbleibe, sondern daß er auch an allen Berathungen des Domcapi- 
tels theilzunehmen berechtigt, daß bei einer Bischofswahl sein Wahlrecht 
unverkürzt gewahrt, ja daß ohne seine Zuziehung alle Beschlüsse desselben 
ungültig sein sollen. Das „schles. Kirchenblatt", das amtliche Organ des 
Fürstbischofs, erklärt daraufhin: „Das hochw. Domcapitel wird das Rescript 
einfach ignoriren.“ Die liberalen Blätter meinen jedoch, daß das so leicht 
nicht angehen werde, da sonst z. B. alle die zahlreichen Vermögensdisposi- 
tionen des Domcapitels rechtlich ungültig sein würden. 
19. „ (Preußen.) Der Bischof von Ermeland wird auch vom Ober- 
tribunal mit seiner Klage wider den Fiscus wegen der gegen ihn ver- 
fügten Temporaliensperre abgewiesen. 
Gleich der ersten Instanz erkennt auch das Obertribunal, daß aus der 
Bulle de salute animarum einem geistlichen Institute ein Klagerecht 
zustehe, so lange die Ausführung der Dotation desselben den einzelnen 
nicht Privateigenthum zugewiesen habe, und daß auch die Etats- 
festsetzung für das Bisthum Ermeland eine bloße Regierungshandlung sei, 
in keiner Weise vertragsmäßige Verpflichtungen der Staatscasse dem 
Bisthum gegenüber begründet worden seien. 
„ „ (Bayern.) Die Regierung bestätigt den Beschluß des Stadtraths 
von Speyer, die dortige Klosterschule durch eine weltliche Mädchen- 
schule zu ersetzen und weist die Klage des Bischofs von Speyer gegen 
den Beschluß ab.  
22.—28. „ (Hessen.) II. Kammer: Berathung des von der Regierung 
ihr vorgelegten und von der Commission nicht wesentlich modifizirten 
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