Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

166 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
und Malaga neuerdings, dießmal in Gemeinschaft mit der englischen 
Panzerfregatte Swiftsure entgegen und zwingt sie zur Rückkehr nach 
Cartagena. 
30. Juli. (Preußen.) Der nordschleswigsche Reichstagsabgeordnete Kryger 
erstattet seinen Wählern in Hadersleben einen Rechenschaftsbericht und 
macht darin Mittheilung von einer Unterredung mit dem Reichskanzler, 
die in der Presse nicht geringes Aufsehen macht. 
„Als ich mich“, so berichtet Kryger, „auf einer Soirée im Ministerium 
des Aeußern mit mehreren Reichstagsmitgliedern unterhielt, kam Bismarck 
zu mir, grüßte mich freundlich und redete mich ungefähr folgendermaßen an: 
„Es freut mich sehr, Sie in meinem Hause als Gast zu sehen, und benutze 
ich die Gelegenheit, welche Sie mir gegeben haben, Ihnen meine Anerkennung 
für die Energie, den Eifer und die Tüchtigkeit zu bezeugen, womit Sie Ihre 
heilige Sache hier im Reichstage vertheidigen. Sie kämpfen allein für Ihre 
Sache und bilden also im Reichstage eine Partei für sich selbst, weßhalb ich 
es für meine Pflicht halte, Ihnen meinen Standpunkt Ihrem parlamentari- 
schen Auftreten gegenüber zu erläutern. Es thut mir herzlich leid, daß ich 
Ihnen, der hier so allein dasteht, keine tröstliche Nachricht mit nach Hause 
geben kann. Ich spreche hier offen und ehrlich aus, daß zur Zeit keine Aus- 
sicht vorhanden ist, daß Ihre Sache erledigt werden kann. Dieses dürfen 
Sie nicht so verstehen, als ob keine Möglichkeit dafür vorhanden sei, daß 
die Frage später geordnet werden könne, aber wann und wie, bin ich nicht 
im Stande, Ihnen zu sagen. Selbst mit dem besten Willen ist es mir nicht 
möglich, diese Sache jetzt aus der Welt zu schaffen. Hinter mir stehen 41 
Millionen, auf deren Wünsche ich ebenfalls genöthigt bin, Rücksichten zu 
nehmen. Sie dürfen auch nicht vergessen, daß auch die Polen mit nationalen 
Forderungen kommen.“ „Ich antwortete, daß diese Mittheilung sehr traurig 
und niederschlagend für mich sei. Könne aber keine Aenderung geschehen 
dann müßten wir wenigstens unsere staatsrechtliche Stellung geordnet haben. 
Wir könnten doch unmöglich ewig in unserer jetzigen interimistischen, in 
staatsrechtlicher Beziehung unbestimmten Stellung verbleiben, denn keine 
Stellung könne verderblicher sein, als wenn man keinen festen Haltepunkt 
hätte und außer Stande sei, sich auf die Zukunft vorzubereiten.“ „Sie haben 
Recht“, antwortete der Reichskanzler, „aber auch darauf ist es mir nicht 
möglich, eine Antwort zu geben.“ „Aber, wandte ich ein, durch Nicht- 
erfüllung des Art. V des Prager Friedens könnte sich auch ein anderer Factor 
geltend machen. Oesterreich hat nur unter der Bedingung auf sein Mitbe- 
sitzerrecht verzichtet, daß die Bevölkerung im nördlichen Schleswig durch eigene 
Willenserklärung ihren Souverän wähle. Geschehe dieses nicht, dann stehe 
jenes Mitbesitzerrecht noch in Kraft." „„Oesterreich hat", bemerkte der Reichs- 
kanzler, „nur geringes Interesse in dieser Sache. Oesterreich hat nicht die 
Initiative zum Artikel V ergriffen, welcher ausschließlich von Frankreich 
ausgegangen ist, und der französische Kaiser hat nur sehr wenig verlangt 
(hier zeichnete der Reichskanzler einen ganz kleinen Fleck aus den Tisch ab), 
nur so viel, daß er sagen könne, sein Abstimmungsprincip sei constatirt.““ 
„Dieses sei, antwortete ich, sehr glaublich, und man sehe daraus, daß das 
Abstimmungsprincip nur ein äußerer Schein sei, eine Kränkung des Volks- 
rechtes. Da der Reichskanzler aber Frankreich zur Sprache gebracht habe, 
und da ich mich wiederholt in meinen Reden im Reichstage der Elsässer und 
Lothringer angenommen, so daß man mir besondere französische Sympathien 
zugelegt, so müsse ich hier sagen, daß Frankreich jedenfalls niemals weder 
meinem dänischen Vaterlande, noch meinen Wählern, noch mir selber Gutes 
gethan habe, weßwegen ich Frankreich Dank schuldig sein sollte. Der Sache 
und der Interessen der elsaß-lothringischen Bevölkerung hätte ich mich ledig-