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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
sein würde, wenn der entschiedene Ausdruck des Bekenntnisses zu den Gründen
zählte, welche den Weg zu kirchenregimentlichen Aemtern verschließen. 4) In
Anbetracht, daß die richtige Bildung ihrer künftigen Diener zu den Lebens-
bedingungen der Kirche gehört, erklärt die Conferenz, daß es zum tiefsten
Schaden der Kirche und endlich zur Auflösung der evangelischen Landeskirche
führen muß, wenn zu den theologischen Lehrämtern auf unseren Universitäten
Männer berufen werden, durch deren Lehre das Bekenntniß der Kirche zer-
setzt wird.“
III. Gegen den modernen Staat und den sog. Liberalismus:
„1) Wir erkennen dem Staate die Pflicht zu, alle menschlichen sittlichen Ver-
hältnisse, Ehe, Familie, Gemeinde, Schule u. s. w. nach der ihnen innewoh-
nenden, sittlichen Natur zu behandeln. 2) Wir erkennen dem Staate die
Pflicht zu, der Kirche als der Hüterin der göttlichen Offenbarung, in der
wir die einzige Quelle alles Rechts und die Erkenntnißquelle für die sittliche
Natur menschlicher Verhältnisse besitzen, freie Entfaltung in seinem Gebiete
zu gewähren. 3) Wir erkennen der Kirche die Pflicht zu, den Staat, auch
wenn er sich von den sittlichen Anschauungen, die sich auf die göttliche Offen-
barung gründen, lossagt, immer noch als selbständige göttliche Institution
anzuerkennen, welchem Gehorsam auch von den Christen zu leisten ist, so
lange nichts entschieden dem Worte Gottes Zuwiderlaufendes gefordert wird.
4) Wir erkennen, daß in Deutschland durch die gegenwärtige Gesetzgebung,
besonders so weit sich dieselbe auf die Kirche bezieht, der Staat die Wege
beschritten hat, welche mit den Grundsätzen der Offenbarung in Widerspruch
auslaufen, und können seiner Entwickelung, so lange er auf dem eingeschlage-
nen Wege bleibt, nur mit ernster Besorgniß entgegensehen. 5) Wir erkennen
es für unsere Pflicht gegen den Staat, auch den gegenwärtigen Gesetzen zu
gehorchen, zugleich aber laut zu protestiren gegen die darin vertretenen Prin-
zipien, und ohne zu verschweigen, daß ihre Ausführung auf Punkte führen
kann, wo wir in schuldigem Gehorsam gegen Gott die weltliche Strafe er-
tragen müssen. 6) Wir erkennen es für unsere Pflicht gegen unser Volk
an, uns an seinem constitutionellen Leben nach Kräften zu betheiligen, um
es zu ermöglichen, daß der gegenwärtigen ins Verderben führenden Richtung
des Staatslebens entgegengearbeitet werde. 7) Wir erkennen es für unsere
Pflicht gegen die Kirche, bei den sie bedrohenden Hinderungen ihres freien
Wirkens desto treuer zu sein in den durch die Gesetzgebung berührten Ge-
bieten, Strafamt der Predigt, Kirchenzucht und Seelsorge, Fürsorge für die
Schule, Gewinnung von Kräften für das geistliche Amt etc. im festen Ver-
trauen, daß der Herr seine Kirche nicht verlassen und auf seine Weise der
Treue ihren Lohn nicht versagen wird.“
Die Thesen I und II werden fast einstimmig angenommen, doch wird zur
Beruhigung der starrsten Orthodoxen zu I § 5 der Zusatz beschlossen: „Die-
jenigen, welche ihre Zustimmung zu diesem oder jenem nicht geben können,
mögen dennoch als Mitglieder der Conferenz angesehen werden. Ueber die
Thesen III wird keine Abstimmung vorgenommen und der Präsident hält
es sogar für angemessen, ausdrücklich zu bemerken, daß daraus auf die schwei-
gende Zustimmung sämmtlicher Mitglieder der Versammlung nicht geschlossen
werden dürfe.
Aus den Debatten: Superintendent a. D. Tauscher: Immer enger
werde das Geschick der Kirche mit dem des Staates verknüpft. Daß die
Kirche eine selbständige Gottesstiftung sei neben dem Staate, ein Reich mit
eigenen Gesetzen, Rechten, Freiheiten, Aufgaben und Zielen, könne eine Po-
litik nicht anerkennen, welche, wie der Liberalismus, die Omnipotenz des
Staates proclamire. Da der Liberalismus allerdings wisse, daß äußere Ge-
walt nicht ausreiche, soll die Kirche durch eine Verfassung nach staatlichem
Bauplane in Conformität mit dem Staate gesetzt werden. Man wolle durch
Ausführung des Gemeindeprincipes eine Kirche, welche sich zur lutherischen