Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 219
gemeinschaften klarer und fester, als zuvor geregelt worden sind, haben
zum Bedauern der Staatsregierung bei den Bischöfen der römisch-katholischen
Kirche einen unberechtigten Widerstand gefunden. Je mehr die Regierung
Sr. Majestät von der Ueberzeugung durchdrungen ist, daß das religiöse Leben
der verschiedenen Confessionen durch diese Gesetze in keiner Weise gefährdet
wird, um so entschiedener wird die Regierung, unbeirrt durch jenen Wider-
spruch, die Gesetze auch ferner zur Durchführung bringen und alle weiter
erforderlichen Schritte rechtzeitig folgen lassen, um die ihrer Obhut an-
vertrauten Interessen vor Schädigung zu wahren. Sie ist überzeugt, daß
sie bei der Lösung dieser Aufgabe auf die kräftige Unterstützung der
Landesvertretung rechnen darf. M. H.! Die zahlreichen und wichtigen
Arbeiten, welche Ihrer harren, werden nicht ohne neue lebhafte Kämpfe er-
ledigt werden. Aber die Geschichte Preußens und besonders die parlamen-
tarische Geschichte der letzten Jahre, gibt Zeugniß, daß die Landesvertre-
tung in fester Gemeinschaft mit der Regierung das für das Staats-
wohl Unerläßliche im rechten Augenblicke durchzuführen bereit
ist. Das Bewußtsein, daß die Regierung Sr. Majestät ebenso wie die Lan-
desvertretung auch da, wo sie lebhaften Strömungen in einem Theile der
Bevölkerung entgegenzuwirken genöthigt sind, nur von dem Streben für das
Heil der Gesammtheit geleitet werden, wird der Ausgleichung der augen-
licklichen Gegensätze zum Stützpunkte dienen. Möge der versöhnende Geist
der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande auch bei den Arbeiten dieses Land-
tages segensreich walten.“
Die Thronrede wird überall da, wo sie den Kirchenconflict berührt
und den festen Entschluß der Regierung ausdrückt, unbeirrt durch
den erfahrenen Widerspruch auf dem betretenen Wege fort zu wandeln,
von den lauten Beifallsrufen der Majorität begleitet.
Herrenhaus: bestellt sein Präsidium: Graf Stolberg wird mit 64
Stimmen zum Präsidenten gewählt, v. Bernuth und Hasselbach mit
je 42 Stimmen zu Vicepräsidenten. Beide letztere gehören der liberalen
Partei des Hauses an; die Feudalen unterliegen.
12. Nov. (Mecklenburg.) Zusammentritt des Landtags. Die Hoffnungen,
daß die Verfassungsvorlagen demselben von den Regierungen wenig-
stens in etwas modificirter Gestalt zugehen werden, sehen sich getäuscht:
die Regierungen wollen die Verhandlungen vielmehr gerade da wieder
aufnehmen, wo sie auf dem vorhergehenden Landtage stehen blieben.
13. „ (Preußen.) Abg.-Haus: Die beiden großen liberalen Parteien,
die Nationalliberalen und die Fortschrittspartei, scheinen im neuen
Landtage entschieden Hand in Hand gehen zu wollen. Beide verstän-
digen sich unter sich und mit den Freiconservativen über die Präsi-
dentenwahlen. Bei den Abtheilungswahlen schließen sie dagegen die
Führer der Freiconservativen aus, offenbar in der Absicht, die liberale
Majorität möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen.
„ (Preußen.) Der Erzbischof von Posen Ledochowski, dem die
Temporalien gesperrt sind, lehnt eine pecuniäre Beihülfe Seitens der
Geistlichkeit ab, erklärt dagegen eine solche Seitens einer Anzahl Adeliger
annehmen zu wollen.
14. (Preußen.) Der Erzbischof von Köln und sein Weihbischof