236 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Herrenhaus: lehnt die vom Abg.-Hause beschlossene Aufhebung der
Zeitungsstempelsteuer seinerseits nach dem Wunsche der Regierung ab.
18. Dec. (Preußen.) Verfügung des Ober-Kirchenraths an die Con-
sistorien der sechs alten Provinzen über den Vollzug der neuen Kirchen-
ordnung:
„Zu unserer Kenntniß sind mehrere Fälle gelangt, in welchen die zu der
gegenwärtigen Aufstellung der Wählerlisten berufenen Gemeinde-
kirchenräthe mit Verletzung klarer Bestimmungen der Kirchengemeindeordnung
vom 10. Sept. und der zu ihrer Ausführung erlassenen Instruction vom
31. Oct. d. J. verfahren sind. Es ist insbesondere vorgekommen, daß Ge-
meindegliedern, welche den im § 34 aufgestellten Erfordernissen entsprechen,
die Aufnahme in die Wählerliste verweigert oder auch auf ihre Reclamation
ein abschlägiger Bescheid ertheilt worden ist, welcher ein dem Gemeindekirchen-
rathe unzuständiges Urtheil über sogenannte kirchliche Qualifica-
tionen in Anspruch nimmt. Solche Gemeindekirchenräthe und besonders
die ihnen vorsitzenden Geistlichen setzen sich einer schweren Verantwortung
aus. Indem wir sie vor der Uebernahme derselben ernstlich warnen, sehen
wir uns veranlaßt, folgende in der Gemeindekirchenordnung und in der dazu
ergangenen Instruction enthaltene Vorschriften zur pünktlichen Beobachtung
einzuschärfen. 1) Die Gemeindekirchenräthe haben lediglich Wählerlisten auf-
zustellen nicht Listen der wählbaren Personen. Listen der letzteren Art kennt
das Gesetz überhaupt nicht. 2) In die Wählerlisten müssen sämmtliche in-
structionmäßig angemeldete Gemeindeglieder aufgenommen werden, welche
den Bestimmungen des § 34 der Kirchengemeindeordnung genügen. Diesen
Bestimmungen (§ 34 vorletzter Absatz Nr. 3) entspricht es zwar, wenn offen-
baren Verächtern der christlichen Religion oder Leuten von unehrbarem Lebens-
wandel, unter der Voraussetzung, daß sie dadurch öffentliches Aergerniß ge-
geben haben, die Aufnahme in die Wählerliste verweigert wird. Allein sie
gestatten nicht, daß etwa an den Mangel der sogenannten Kirchlichkeit, d. h.
der Theilnahme der betreffenden Personen am öffentlichen Gottesdienste und
an den Sacramenten, ihr Ausschluß von der Wählerliste geknüpft werde.
3) Mängel der letzteren Art (Kirchengemeindeordnung § 35) können kirchen-
ordnungsmäßig nur nach erfolgter Wahl auf dem Wege des Einspruchs gel-
tend gemacht werden (§ 40). Ueber den etwa erhobenen Einspruch kommt
aber die Entscheidung nicht dem bisherigen, sondern dem neugewählten Ge-
meindekirchenrathe und in der Recursinstanz dem Vorstande der neugewählten
Kreissynode zu (Instruction Nr. 31 z. E.). Wir veranlassen das königliche
Consistorium durch schleunige Veröffentlichung dieses Erlasses in Seinem
Amtsblatte, sowie durch kräftige Handhabung Seines Aussichtsrechts und
der Ihm durch § 78 der Kirchengemeindeordnung beigelegten Befugnisse den
gedachten ordnungswidrigen Vorgängen zu steuern, durch welche sogar die
Privatehre der betroffenen Personen rechtswidrig verletzt werden kann.“
20. „ (Bayern.) Die von der Regierung niedergesetzte Commission
behufs Abgabe eines Rechtsgutachtens betr. die Anerkennung des alt-
katholischen Bischofs Reinkens auch für Bayern tritt in München zu-
sammen, wählt den Prof. v. Pözl zu ihrem Referenten und vertagt
sich wieder auf unbestimmte Zeit.
„ „ (Mecklenburg.) Landtag: Die Regierungen verzichten schließlich
im Landtagsabschied auf die bisher umsonst ersuchte Festhaltung des
patrimonialen Characters der Verfassung und kündigen die Einberufung
eines außerordentlichen Landtags und einer neuen Vorlage auf Grund
des Princips einer einheitlichen Vertretung des Landes an: