Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierzehnter Jahrgang. 1873. (14)

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Die Oesterreichisch-Ungarische Monarchie. 
beitragen wollten, worauf die (37) Polen sämmtlich den Saal ver- 
lassen. Herbst erstattet nunmehr den Bericht des Verfassungsaus- 
schusses, wobei er unter stürmischem Beifall des Hauses hervorhebt, 
daß aller Dank und Ruhm dem erhabenen Monarchen gebühre, der 
als der dritte in der Reihe der großen Regenten Oesterreichs Macht 
gehoben hätte. Eine Debatte findet nicht statt, da der Verfassungs- 
club beschlossen hatte, eine solche zu unterlassen. Bei namentlicher Ab- 
stimmung wird der Entwurf mit 120 gegen 2 Stimmen angenommen. 
6. März. (Ungarn.) Unterhaus: Budget des Landesvertheidigungsmini- 
steriums: der Honved-Minister Szende wird über den Stand der Hon- 
vedarmee interpellirt, 
worauf derselbe sehr eingehende und klare Erklärungen über Armatur, 
Munition und Adjustirung abgibt und unter anderem bemerkt: daß die 
Honveds vollständig kriegstüchtig gerüstet werden könnten, und daß durch die 
Placirung der Vorräthe eine paste Ausrüstung im Mobilisirungsfall Leeen 
sei; übrigens entspreche auch die Eintheilung des Territoriums allen Anfor- 
derungen; jede Truppenabtheilung kenne ihren Platz in der Kampfordnung r. 
Schließlich erklärt er noch, daß der gemeinsame Kriegsminister alles gethan 
habe, was für eine rasche Mobilisirung irgend möglich sei, die Artillerie und 
die technischen Truppen, die berufen seien, in Gemeinschaft mit den Honveds 
zu känipfen, seien designirt u. s. w. Das Haus nimmt die Erklärung mit 
anhaltendem lebhaftem Beifall auf. Doch machen sich auch besonnene Stim- 
men laut, die der Ansicht sind, die Honvedarmee, die in dem kurzen Zeit- 
raum von vier Jahren zu einem Heereskörper von 150,000 Mann ange- 
wachsen mit einem jährlichen Aufwand von 15 Mill. Gulden, sei für Ungarn 
zu viel; kein anderes Land Europas unterhalte verhältnißmäßig ein so großes 
Heer wie Ungarn; besser wäre es, sie auf 100,000 Mann zu reduciren, da- 
gegen mit guten Offizieren zu versehen und die Präsenzzeit zu verlängern. 
11.—12. „ (Oesterreich.) Die Partei der sog. staatsrechtlichen Oppo- 
sition hält eine Conferenz in Wien und einigt sich über ein Programm, 
das indeß im wesentlichen nur eine Reproduction der böhmischen Fun- 
damentalartikel zur Zeit des Ministeriums Hohenwart ist: 
„1. Nach Außen: Achtunggebietende Machtstellung der Gesammt-Monarchie 
unter dem angestammtem Heuscherhause 
Nach Innen: Versöhnung der bestehenden Gegensätze und Anerkennung 
der den Ländern der ungarischen Krone zuerkannten staatsrechtlichen Stellung 
innerhalb der Gesammt-Monarchie. 
2. Selbständigkeit und Eigenberechtigung der historisch-politischen Indivi- 
dualitäten im Reiche. 
3. Eigenberechtigung und Freiheit aller gesehrich anerkannten Religionz- 
Genossenschaften, freie Entwicklung jeder Nationalität, sowie überhaupt orga- 
nische Fortbildung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten. 
4. Das Recht der Legislation steht virtuell den Landtagen im Vereine 
mit dem Monarchen zu. 
5. Es wird anerkannt, daß es außer den durch den ungarischen Aus- 
gleich als dem ganzen Reiche gemeinsam bedeichneten Angelegenheiten auch 
noch andere gibt, deren gemeinschaftliche Behandlung nothwendig oder wün- 
schenswerth erscheint. 
ZZur gemeinsamen parlamentarischen Behandlung dieser Angelegenheiten 
ist im Wege der Uebertragung des Legislationsrechtes der Landtage ein ge- 
sreinschaftlichen Organ berufen, zu welchem die Landtage ihre Deputirten 
entsenden. 
 
	        
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